"Am liebsten wäre uns, dass wir das Wort Behinderung gar nicht mehr sagen müssen"

Zwei Brüder beim Gemüseschneiden (Archivbild)
Zwei Brüder beim Gemüseschneiden (Archivbild)(c) imago/fStop Images (Halfdark)
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Türkis-Blau müsse sich an die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Behinderung machen, meinen Behindertenvertreter. Sie präsentierten Forderungen etwa aus den Bereichen Bildung, Gesundheit, Arbeit und Familie.

Sechs Menschen mit Behinderung haben am Mittwoch gemeinsam mit Caritas-Präsident Michael Landau ihre Forderungen an die Politik präsentiert. In den Bereichen Bildung, Freizeit, Arbeit, Familie, Gesundheit und öffentlicher Verkehr wünschen sie sich mehr Inklusion. Landau forderte die Bundesregierung auf, Maßnahmen aus dem Nationalen Aktionsplan Behinderung umzusetzen.

2012 hatte die damalige rot-schwarze Bundesregierung den Nationalen Aktionsplan Behinderung beschlossen. Er enthält 250 Maßnahmen für die österreichische Behindertenpolitik bis 2020. Damit sollte auch die UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich umgesetzt werden. Im Mittelpunkt des Aktionsplans war damals schon die Inklusion gestanden - also das Ziel, Menschen mit Behinderung die Teilhabe an allen Aktivitäten der Gesellschaft zu ermöglichen.

Menschen mit Behinderung immer noch nicht sozialversichert

Michael Landau begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung, den Aktionsplan über 2020 hinaus fortzuführen. Gleichzeitig kritisierte er aber die stockende Umsetzung: "Viele der 250 Maßnahmen sind noch immer nicht umgesetzt. Gelungen ist die Reform der Sachwalterschaft, die jetzt Erwachsenenvertretung heißt. Darüber hinaus gab es noch keine größeren Reformen." So seien viele Menschen mit Behinderung immer noch nicht sozialversichert - und bestehende Leistungen wie mobile Dienste oder persönliche Assistenz deckten den Bedarf nicht ab. Er forderte die Bundesregierung zudem auf, die Betroffenen selbst in die Umsetzung der Maßnahmen einzubauen.

Um dies zu unterstreichen, gingen bei der Pressekonferenz sechs Menschen mit Behinderung als Interessensvertreter verschiedener Caritas-Einrichtungen an die Öffentlichkeit. Sie hatten sich zuvor mit der UN-Behindertenrechtskonvention auseinandergesetzt und daraus Forderungen abgeleitet.

Im Krankenhaus schlecht behandelt

Robert Kapolani, der selbst eine Sonderschule besucht hatte, forderte etwa, dass es nur noch inklusive Schulen geben sollte, in denen Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden. Dadurch würden Kinder bereits früh lernen, "Barrieren im Kopf abzubauen", sagte Landau. Die Bundesregierung plant laut Regierungsprogramm allerdings den Ausbau von Sonderschulen.

Schulungen sollte es auch für Menschen ohne Behinderung geben, wenn es nach den Behindertenvertretern geht. So sollten etwa Busfahrer für den Umgang mit Menschen mit Behinderung geschult werden. Der Interessensvertreter in der Region Weinviertel, Franz Renner, berichtete von Menschen, die Angst vorm Einsteigen hätten, weil die Türen zu schnell zugingen. Die Interessensvertreterin in der Region Niederösterreich Süd, Iris Grasel, erklärte, sie sei im Krankenhaus wegen ihrer Behinderung schlecht behandelt worden. Daher solle es verpflichtende Schulungen für Ärzte geben. Diese müssten Menschen mit Behinderung ihre Behandlung auch besser erklären können.

Ein weiteres Thema war die noch fehlende Barrierefreiheit an vielen Orten. Die größten Barrieren seien aber "meist in unseren Köpfen", erklärte Landau. Die Behindertenvertreter wünschen sich daher eine solidarische Gesellschaft: "Am liebsten wäre uns, dass wir das Wort Behinderung gar nicht mehr sagen müssen, weil dann findet Inklusion statt", erklärte Kapolani.

>> Nationaler Aktionsplan Behinderung 2012-2020 auf der Webseite des Sozialministeriums

(APA)

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