Das Video, das die Republik erschüttert

(c) www.spiegel.de
  • Drucken

Was die FPÖ-Politiker Strache und Gudenus 2017 in einer Finca auf Ibiza ausplauderten. Die wichtigsten Passagen im Überblick.

Um 18 Uhr veröffentlichen das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ am Freitag ein Video, das in Österreich ein politisches Erdbeben auslöst. Die Aufnahmen dokumentieren den Abend des 24. Juli 2017, den FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und sein Vertrauter, der damalige Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus, in einer Luxusvilla auf Ibiza verbringen. Drei Monate vor der Nationalratswahl geht es dort bei Wodka, Red Bull und Sushi um die Pläne einer vermeintlichen russischen Millionärin, die ein Vermögen in Österreich investieren will – und um mögliche Wahlkampfhilfe für die FPÖ. Was die beiden Politiker nicht ahnen: Es ist eine Falle. Alles, was sie in den sieben Stunden gegenüber der Dame und ihrem Begleiter äußern, wird aufgezeichnet. Was passierte in dieser Nacht? Ein Überblick.

Der Lockvogel

Die Frau stellt sich als Aljona Makarowa vor und gibt an, die Nichte von Igor Makarow zu sein. Makarow ist ein russischer Gas-Oligarch, dessen Vermögen vom „Forbes“-Magazin auf rund 2,2 Milliarden Dollar geschätzt wird. Er soll in den 1990er-Jahren auch gute Kontakte zu dem in Wien lebenden ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch gehabt haben. Die vermeintliche Aljona Makarowa, die auch die lettische Staatsbürgerschaft besitzen will, möchte mehr als eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren – allerdings dürfe das Kapital nicht auf die Bank, weil es „nicht ganz legal“ sei. Sie gibt außerdem an, 50 Prozent von der „Kronen Zeitung“ kaufen und diese auf FPÖ-Linie bringen zu können. Dafür erwarten sie und ihr Begleiter eine Gegenleistung. Eingefädelt wurde das Treffen von Gudenus.

Die Aktion sei „an Niederträchtigkeit nicht zu übertreffen“, sagte Strache am Samstag bei seinem Rücktritt. Der Lockvogel sei an Gudenus nämlich kurz nach dem Tod seines Vaters herangetreten. In einer Situation, „wo er emotional angeschlagen war“. Die vermeintlich lettische EU-Staatsbürgerin habe vorgegeben, sich für ein Jagdgebiet im Besitz der Familie zu interessieren und nach Österreich übersiedeln zu wollen. Über Monate hinweg habe die Frau mit Gudenus Kontakt gehabt. Man habe sich befreundet. Dann wollte die Oligarchen-Nichte auch Strache kennenlernen. So sei es zu dem privaten Gespräch gekommen. Noch ist unklar, wer die Frau war und auf wessen Initiative hin die Falle gestellt wurde.

Griff nach der „Krone“

„Die ,Kronen Zeitung‘ wär' für uns alle gut – für sie geschäftlich, für uns politisch“, sagt Gudenus in dem Video zu Strache und stellt eine mögliche Übernahme der „Krone“ durch die Investorin als seine Idee hin. Letztere erklärt, an der Anteilshälfte der Familie Dichand interessiert zu sein. Strache behauptet, Kontakt zur deutschen Funke-Mediengruppe herstellen zu können, der damals die andere Hälfte der Zeitung gehörte. Er bemüht sich, ihr den Kauf möglichst schmackhaft zu machen – und erhofft sich positive Berichterstattung: „Wenn sie die ,Kronen Zeitung‘ übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden.“ Man müsse bei dem Blatt noch „drei, vier“ kritische Journalisten „abservieren“ und durch andere ersetzen. Aber: „Journalisten sind ja sowieso die größten Huren auf dem Planeten.“

Lukrative Aufträge

Laut denkt Strache, der sich „Red Bull Brother from Austria“ nennt, an diesem Abend auch über eine teilweise Privatisierung des ORF zugunsten von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz nach. Vor allem aber verspricht er der Dame als Gegenleistung für ihre Unterstützung lukrative staatliche Aufträge im Falle eines Wahlerfolgs. „Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann“, sagt er – und zwar zu überhöhten Preisen. Und: „Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich dir zusagen kann, ist: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr.“ Gemeint ist Strabag-Chef und Neos-Unterstützer Hans-Peter Haselsteiner. Strache – der mehrfach betont, nichts Illegales tun zu wollen – stellt auch ein Geschäft mit dem österreichischen Trinkwasser in Aussicht. Man könne „eine Struktur schaffen, wo wir das Wasser verkaufen, wo der Staat eine Einnahme hat und derjenige, der das betreibt, genauso eine Einnahme hat.“ Über die prozentuale Aufteilung müsse man noch reden. Er überlegt zudem, das Glücksspielmonopol aufzubrechen.

Die angeblichen Spender

Bei dem Gespräch geht es auch um eine finanzielle Unterstützung für die FPÖ. Strache bietet der Frau an, über einen gemeinnützigen Verein Geld an die Partei zu spenden. „Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof.“ Spenden über 50.000 Euro müssen dem Rechnungshof bekannt gegeben werden. Seit 2012 ist keine Großspende von der FPÖ gemeldet worden. Strache: „Es gibt ein paar sehr Vermögende, die zahlen zwischen 500.000 und eineinhalb bis zwei Millionen.“ Er nennt auch Namen angeblicher Spender: den Kärntner Waffenhersteller Gaston Glock, Kaufhaus-Erbin Heidi Horten, den milliardenschweren Immobilienunternehmer René Benko und den Glücksspielkonzern Novomatic. Die Genannten dementieren, an die FPÖ gespendet zu haben.

Liebesgrüße aus Wien

Strache und Gudenus rühmen sich mit ihren guten Beziehungen zu Russland. „Im Osten Europas sind die Menschen normal. Wir haben die Dekadenz im Westen, im Osten sind sie normal.“ Besonders positiv bedacht wird auch Ungarns umstrittener Premier Viktor Orbán, der die Medien seines Landes auf Regierungslinie gebracht hat. Strache: „Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán aufbauen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.