ÖVP: Kickl muss gehen – oder alle

Innenminister Herbert Kickl
Innenminister Herbert KicklAPA/ROLAND SCHLAGER
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Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz prüfen zwei Varianten bis zur Wahl im Herbst. Der Innenminister verliert in jedem Fall seinen Job. Die FPÖ droht mit dem geschlossenen Rücktritt der Minister.

Wien. Eineinhalb Stunden haben Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz am Sonntag hinter der roten Tapetentür in der Hofburg über die drängendsten Fragen beraten: Wie soll der Kanzler bis zum Wahltermin weiterregieren? Und vor allem: mit wem?

Beim gemeinsamen Pressetermin danach ließen sich Kurz und Van der Bellen nicht in die Karten blicken. Wie die „Presse“ am Sonntagabend aus ÖVP-Kreisen erfuhr, gibt es zwei Varianten, wobei Herbert Kickl in jedem Fall das Innenministerium verlassen muss. Grund dafür: Er könne nicht gegen sich selbst ermitteln. Denn im Ibiza-Video deutete Heinz-Christian Strache auch eine verdeckte Finanzierung der FPÖ an. Und Herbert Kickl war damals, im Sommer 2017, Generalsekretär der Partei.

Variante eins ist also, dass nur Kickl seinen Job verliert. Das bestätigte auch Kanzleramtsminister Gernot Blümel am späten Abend in der „ZiB2": "Ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten auch vorschlagen wird, den Innenminister aus der Regierungsverantwortung zu entlassen", sagte der enge Vertraute von Kurz.

Variante zwei sieht vor, dass alle Regierungsmitglieder der FPÖ gehen müssen. In dem Fall würden entweder Beamte oder (bestehende) Regierungsmitglieder der ÖVP ihre Ressorts übernehmen. Die Entscheidung soll „in den nächsten Tagen“ fallen. Gemeinsam mit Van der Bellen prüfe Kurz gerade die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, heißt es.

Beim Auftritt in der Hofburg versprach der Kanzler, „alle Verdachtsmomente“, die sich aus den Videoaufnahmen ergeben, prüfen zu lassen. Außerdem solle geklärt werden, wer der Auftraggeber sei.

Kurz: „FPÖ fehlt Bewusstsein für Dimension"

Eine Fortsetzung der Koalition mit der FPÖ stand für den ÖVP-Chef nie wirklich zur Debatte. „Der Fairness halber“ habe er am Samstag ein Gespräch mit den Spitzen der Freiheitlichen geführt, dabei aber das Gefühl gehabt, dass sie abgesehen vom Strache-Rücktritt zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit sind. Kurz selbst sagte zur „Presse“: „Die FPÖ hat immer noch kein Bewusstsein für die Dimension dieses Skandals. Dass der, der als damaliger FPÖ-Generalsekretär möglicherweise an strafrechtlich relevanten Konstrukten beteiligt gewesen sein könnte, nicht als jetziger Innenminister gegen sich selbst ermitteln lassen kann, sollte jedem klar sein.“ Doch Kickl und die FPÖ weigerten sich, das Innenministerium abzugeben. Danach war für die ÖVP endgültig klar, dass neu gewählt wird.

Warum sich der Kanzler dann bis Samstagabend mit der Nachricht Zeit gelassen hat? „In so einer heiklen Phase ist es wichtig, besonnen zu reagieren“, so Kurz. Er habe daher „zuerst eine Entscheidung getroffen und dann alle informiert“, zuerst den Bundespräsidenten, dann die Mitglieder des ÖVP-Vorstands und schließlich die Öffentlichkeit.

Wahl am 15. September?

In ihrer Lagebewertung waren sich Kurz und Van der Bellen von Anfang einig. Beim Presseauftritt Sonntagmittag sagte der Präsident: Die türkis-blaue Koalition sei in der bisherigen Form zu Ende. „Ich plädiere für Neuwahlen zu Beginn des Septembers.“ Ins Detail ging er nicht, das Parlament könnte aber schon nächste Woche über ein Datum entscheiden. Als wahrscheinlichster Termin gilt der 15. September. Theoretisch wären aber auch der 1. und 8. des Monats möglich.

In den nächsten Tagen will der Bundespräsident mit allen Parteichefs Gespräche führen, auch mit Hofer, den das Präsidium am Sonntag Abend einstimmig zum neuen FP-Chef designiert hat. Auch Kurz möchte Hofer treffen. Eine besonders gute Gesprächsbasis dürften die beiden nicht mehr miteinander haben. Dem Vernehmen nach gibt es nun auch in der FPÖ zwei Varianten. Die von Hofer bevorzugte lautet: Weiterregieren. Kickl dagegen soll die Zusammenarbeit mit der ÖVP sofort beenden wollen. Zwischenzeitlich wurde auch überlegt, dass er die Partei übernimmt.

Die Freiheitlichen tagten am Sonntag an einem öffentlich nicht bekannten Ort, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Auf dem Weg dorthin veröffentlichte Hofer eine Videobotschaft. Es war eine Kampfansage an Kurz: Eine Regierung mit der FPÖ werde es nur mit einem Innenminister Herbert Kickl geben, sagte er. „Ich werde alles tun, damit diese FPÖ eine starke Partei bleibt, egal, ob in der Regierung oder in der Opposition.“

Später, nach ihrer Präsidiumssitzung, machte die FPÖ ihren Standpunkt noch einmal deutlich: Offen drohten die Freiheitlichen in einer Aussendung mit dem Rücktritt all ihrer Minister, sollte die ÖVP auf die Abberufung Kickls aus seinem Amt bestehen. Und FP-Klubchef Walter Rosenkranz legte bei der Diskussionssendung „Im Zentrum" noch einmal nach. „Den [Kickl, Anm.] lässt sich die FPÖ nicht herausschießen“, befand er. „Das hätte man seitens der ÖVP durchaus erkennen können. Keine Partei kann sich so am Nasenring durch die Arena ziehen lassen.“

Herbert Kickl selbst meldete sich via Facebook zu Wort: „Es geht Kurz und der ÖVP nur um die Macht. Offenbar auch um den Preis der Sprengung einer Regierung, die in der Bevölkerung die höchste Anerkennung für ihre Arbeit seit vielen Jahren hat.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2019)

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