Wie man die Opposition von Kurz überzeugt – oder auch nicht

Was bot Kurz der Opposition an, um im Amt bleiben zu können?
Was bot Kurz der Opposition an, um im Amt bleiben zu können? (c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Der Kanzler machte SPÖ und FPÖ ein Angebot, damit sie ihn als Kanzler stützen. Die Frage ist, ob das reicht. Oder legt es die ÖVP auf einen Sturz an?

Wien. Für Donnerstagnachmittag hatte Sebastian Kurz die Chefs der anderen Parlamentsparteien zu sich ins Kanzleramt geladen, also Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Norbert Hofer (FPÖ), Beate Meinl-Reisinger (Neos) und Maria Stern (Liste Jetzt).

Allerdings erschien von dieser Gästeliste nur Meinl-Reisinger bei Kurz. Die anderen Parteien schickten Stellvertreter: Für die Liste Jetzt kam Parteigründer Peter Pilz („Ich gehe hin, weil wir dem Kanzler eine Freude machen wollten“), für die FPÖ Klubobmann Walter Rosenkranz und für die SPÖ Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Rendi-Wagner hatte offenbar keine Lust mehr. Sie habe schon „zwei substanzlose Scheingespräche“ mit Kurz geführt, erklärte die Partei.

Dabei wollte Kurz den Oppositionsparteien ein Angebot unterbreiten, um zu verhindern, dass der Misstrauensantrag gegen seine Person, eingebracht von der Liste Jetzt, am Montag eine Mehrheit im Nationalrat findet. Das Werben des Kanzlers galt vor allem der SPÖ und der FPÖ, zumal die Neos bereits erklärt haben, dass sie den Misstrauensantrag nicht unterstützen werden.

Was also bot Kurz der Opposition an, um im Amt bleiben zu können? Bis zur Nationalratswahl sollen alle Klubchefs die Möglichkeit haben, an den Ministerräten teilzunehmen. So will Kurz das Vertrauen in seine Regierung stärken. Die Minister wiederum sollen keine politischen Entscheidungen mehr treffen, sondern „allein solche, die für die Aufrechterhaltung des Status quo notwendig sind“. Auch auf Gesetzesinitiativen und Ausschreibungen wichtiger Funktionen wird verzichtet. So soll die Übergangsregierung „Stabilität und den sparsamen Umgang mit Steuergeldern gewährleisten“. Zur Aufklärung der Verdachtsmomente, die das Ibiza-Video aufwirft, werden dem Justiz- und dem Innenministerium „alle notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt“.

Ob sich Kurz mit der SPÖ und/oder der FPÖ handelseins geworden ist, war zunächst unklar. Beide Parteien erweckten den Eindruck, als wollten sie inhaltliche Zusagen der ÖVP im Gegenzug für ihr Vertrauen im Nationalrat. Wobei nur die SPÖ Beispiele nannte: ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft, eine Reform der Parteienfinanzierung, einen Inseratenstopp der Regierung. Ob das schon alles gewesen ist?

In sich ist die SPÖ nach wie vor gespalten. Wobei zumindest die Landesparteichefs mehrheitlich dazu tendieren, Kurz am Montag aus dem Amt zu wählen. Georg Dornauer, Parteivorsitzender in Tirol, will sogar einen eigenen Misstrauensantrag der SPÖ. Auch in anderen Ländern ärgert man sich über die mangelnde Einbindung der Opposition und das Verhalten des Kanzlers, der nun so tue, als hätte er eine absolute Mehrheit.

Die Unentschlossenheit oder eher Uneinigkeit über die weitere Vorgangsweise zieht sich durch alle Teile der SPÖ und, nicht zuletzt, durch die Führung. Gegen eine Unterstützung des Misstrauensantrags spricht, dass man am Ende zum Sündenbock für die Regierungskrise gemacht werden könnte. Nicht nur von der ÖVP, sondern auch von der „Krone“, die zuletzt „Vernunft über Parteigrenzen hinweg“ gefordert hatte. Außerdem könnte sich Kurz dann auch als Märtyrer inszenieren, als Opfer einer Intrige der Opposition gegen seine Person. Im Wiener SPÖ-Regierungsteam etwa schließen manche nicht aus, dass Kurz eine Mehrheit für das Misstrauensvotum provozieren möchte. Die Entscheidungen in den vergangenen Tagen und Stunden würden die SPÖ ja regelrecht zu dem Entschluss hintreiben, für die Entlassung des Kanzlers zu stimmen.

Kickl soll Klubobmann werden

In der FPÖ will man sich erst Montagfrüh entscheiden, kurz bevor die Nationalratssitzung beginnt. Die Freiheitlichen sind sich grundsätzlich einig, dass sie sich an Kurz und der ÖVP für den Koalitionsbruch rächen wollen. Die Frage ist nur, mit welcher Strategie: „Sprechen wir ihm das Misstrauen aus, schaffen wir einen Märtyrer – das müssen wir uns gut überlegen“, sagt ein Freiheitlicher. Gleichzeitig gebe es „keinen Grund, ihm das Vertrauen zu schenken“, sagt ein anderer. Ex-Innenminister Herbert Kickl hat jedenfalls schon klargemacht, was er vom neuen Kurz-Kabinett hält. Nämlich nichts. Und Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei der „Steigbügelhalter eines schwarzen Machtkartells“. Kickls Meinung wird weiterhin Gewicht in der FPÖ haben. Laut „Salzburger Nachrichten“ übernimmt er nämlich den Vorsitz im Parlamentsklub.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2019)

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