Warten auf das Kabinett Bierlein

Die Kanzlerin steht fest, die Minister folgen am Wochenende.
Die Kanzlerin steht fest, die Minister folgen am Wochenende. (c) Clemens Fabry
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Wie weiter? Die Kanzlerin steht fest, die Minister folgen am Wochenende. Die Angelobung könnte am Montag sein, die Wahl dann am 29. September. Die ÖVP geht laut Umfrage mit klarem Vorsprung ins Rennen.

Wien. Politisch waren alle Parteien zufrieden. In der Twitter-Blase überschlug man sich förmlich vor Begeisterung – dass die Neo-Kanzlerin ideologisch rechts der Mitte steht, störte da auch nicht weiter. Und in den traditionellen Medien gab es ebenfalls überall Vorschusslorbeeren – bis hin nach Deutschland: „Das Land braucht nun jemanden, der Ruhe ins Land bringt. Brigitte Bierlein dürfte genau die Kanzlerin sein, die Österreich jetzt braucht“, so die „Süddeutsche Zeitung“. Die „FAZ“ nannte Bierlein eine „auch unter widrigen Umständen elegante Erscheinung“.

Am Donnerstag ist Brigitte Bierlein vom Bundespräsidenten als neue interimistische Bundeskanzlerin vorstellt worden. Nun wartet alles auf ihre Ministerliste.

Wer wird Minister?

Die Liste ist mehr oder weniger fertig. Rot-blau-türkis austariert soll sie sein. Obwohl es sich bei den neuen Ministern durchwegs um höhere Beamte handeln wird. Der Vorteil: Diese kennen ihre Häuser und die Abläufe ebendort bereits, man braucht sie nirgendwo herauszureißen und dann nach Ende ihrer Regierungszeit wieder unterzubringen. Die jeweiligen Parteichefs kennen auch schon die Namen der neuen Minister. Sie halten aber dicht. Um Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die designierte Bundeskanzlerin nicht zu desavouieren. Und ihnen nicht die Präsentation zu verderben. Diese soll am Wochenende stattfinden. Am Montag könnte die Angelobung sein. Laut Informationen des „Standard“ soll Iris Rauskala, Leiterin der Präsidialsektion im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Bildungsministerin werden. Sie war 2015 von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zur Sektionschefin ernannt worden. Von der neuen Bundeskanzlerin vorgestellt wurden am Donnerstag bereits Clemens Jabloner für das Justizministerium und das Vizekanzleramt sowie Alexander Schallenberg für Äußeres und Europa.

Wann wird gewählt?

Voraussichtlich am 29. September. SPÖ und FPÖ sind sich diesbezüglich einig. Sie hätten auch eine dementsprechende Mehrheit im Hauptausschuss des Nationalrats, um das zu beschließen. Die ÖVP hätte lieber einen früheren Wahltermin gehabt. Der Bundespräsident auch. Für SPÖ und FPÖ ist ein späterer Termin wünschenswert, da sie darauf hoffen, dass Sebastian Kurz in einem längeren Wahlkampf an Schwung verliert (und sie sich selbst konsolidieren können). Für die ÖVP gilt das Gegenteil.

Wer gewinnt die Wahl?

Das ist freilich schwer zu sagen. Eine aktuelle, der „Presse“ vorliegende Umfrage (1000 Befragte, Erhebungszeitraum Ende Mai) von Demox Research, deren Leiter, Franz Sommer, auch für die ÖVP Umfragen macht, weist für die Sonntagsfrage folgende Ergebnisse aus: ÖVP 37 bis 38 Prozent. SPÖ 22 bis 23 Prozent. FPÖ 18 bis 19. Neos 10 bis 11. Grüne 8 bis 9. Andere Parteien: 2 Prozent.

Was darf die Regierung?

Theoretisch hat die Übergangsregierung von Brigitte Bierlein alle Möglichkeiten, die eine herkömmliche Regierung auch hat. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass sie ihrerseits Politik macht, also Gesetze auf den Weg bringt. Das wird Sache der Fraktionen im Parlament bleiben. Die Regierung wird sich in erster Linie auf administrative und repräsentative Tätigkeiten beschränken. Oder um in den Worten des Bundespräsidenten zu bleiben: Es muss ja wer das Telefon abheben, wenn ein ausländischer Regierungschef anruft.

Was tut der Nationalrat?

Wie geht es im Parlament weiter? Nach der Angelobung könnte es kommende Woche (Donnerstag oder Freitag) eine Sondersitzung im Nationalrat geben, bei der die neue Regierung vorgestellt wird. Die nächsten regulären Sitzungen sind am 12. und 13. Juni.

Was passiert im VfGH?

Die Geschäfte von Präsidentin Bierlein übernimmt nun einmal ihr Stellvertreter, Christoph Grabenwarter. Er sitzt ebenfalls auf einem ÖVP-Ticket und galt schon bisher als Favorit für die definitive Nachfolge Bierleins als Präsident des Verfassungsgerichtshofs. Bierleins Pensionierung war für Herbst geplant. Ob Grabenwarter dann tatsächlich VfGH-Präsident wird, hängt von der Zusammensetzung der neuen Regierung ab. Die Übergangsregierung wird hier wohl keine Entscheidung treffen. Brigitte Bierlein wird sich hüten, das zu tun. Führt die ÖVP die nächste reguläre Regierung wieder an, stehen die Chancen für Grabenwarter sehr gut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2019)

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