Der neue Parteichef inszeniert sich als jemand, der "gerne mit dem E-Scooter unterwegs ist“, am Dach seines Hauses Sonnenstrom produziert und Gemüse anbaut. Die Liste Jetzt ortet einen verspäteten Aprilscherz.
Der neue FPÖ-Chef will die Blauen grüner machen. "Für Norbert Hofer sind Klimaschutz und der von den Menschen herbeigeführte Klimawandel die größten Herausforderungen unserer Zeit", bekundete er am Mittwoch in einer Aussendung die Absicht, Umweltschutz zu einem freiheitlichen Schwerpunkt zu machen. "Unter seiner Obmannschaft wird sich die FPÖ intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen", heißt es weiter.
Hofer wird als "langjähriger Umweltsprecher der FPÖ und Herausgeber mehrerer Bücher zum Thema Energie und Umwelt" präsentiert. Zudem wird betont, dass er "gerne mit dem E-Scooter unterwegs ist, am Dach seines Hauses im Südburgenland Sonnenstrom produziert und sein eigenes Obst und Gemüse anbaut". Erinnert wird überdies an von ihm als Infrastrukturminister gesetzte "Akzente" in der Forschungsförderung für die Bereiche Energiegewinnung und -speicherung.
Nicht erwähnt wird hingegen, dass ihm als Verkehrsminister Tempo 140 auf den Autobahnen und die Testzonen dafür sein Prestigeobjekt waren.
Für kurze Wege auch Fahrrad oder zu Fuß
Aber Hofer hat - neben dem Drängen darauf, weiter den Umstieg auf erneuerbare Primärenergieträger und im Verkehr die Dekarbonisierung zu forcieren - praktische Tipps für "jede Österreicherin/jeden Österreicher" parat: "Für kurze Wege bieten sich auch das Fahrrad oder zu Fuß gehen an, im Supermarkt sollte regionalen Produkten der Vorzug gegeben werden. Solche und andere Kleinigkeiten können große positive Auswirkungen auf den Umweltschutz haben."
Detail am Rande: Für den jetzt über das „Ibiza-Video" gestolperten Heinz-Christian Strache war es, wie er im Dezember 2018 in einem "Standard"-Interview erläuterte, "eine offene Frage, inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen kann". Er verwies damals auf die Sahara, die von der Kornkammer Roms zur Wüste wurde - was mit "vielen Faktoren zu tun" gehabt habe, "aber sicher nicht mit Fabriken oder sonstigen Entwicklungen, die es damals gar nicht gab".
Liste Jetzt ortet verspäteten Aprilscherz
Die Liste Jetzt nimmt Hofer den Wandeln jedenfalls nicht ab. Mittwochnachmittag schickte die Partei ihrerseits eine Aussendung aus, in der sie festhielt: „Dass 140-km/h-Hofer die Blauen nun Grün machen möchte, kann nur ein verspäteter Aprilscherz sein. Ein schneller Blick allein auf die letzten Monate zeigt, dass sich die FPÖ sowohl auf europäischer als auch auf österreichischer Ebene gegen fast jede einzelne Klima- und Umweltschutzmaßnahme gestellt hat.“
So hätten die Freiheitlichen im EU-Parlament etwa die Klimaneutralität bis 2040 abgelehnt, „ebenso hat sie sich gegen bindende Ziele für das Energiesparen und Erneuerbare Energie ausgesprochen und den Ausschluss von Ausgaben für Kohle, Öl und Gas aus dem EU-Budget abgelehnt“, wird aufgezählt.
Der "nette Blaue von nebenan", Nobert Hofer, drängte lange nicht in die erste Reihe. Zur Kandidatur als freiheitlicher Präsidentschaftskandidat musste er überredet werden. Auf den zweiten Blick war die Niederlage für Hofer ein Segen. Innerparteilich wurde er durch sein gutes Abschneiden enorm gestärkt. Noch am Wahlabend sagte er damals: Ihn ihm sei "ein schlafender Bär geweckt“ worden. Doch an der Parteispitze hielt sich Hofer nach dem Abtreten Heinz-Christian Straches nicht ganz zwei Jahre. Am 1. Juni 2021 kündigte er seinen Rücktritt an. (hell/j.n./klepa) APA/AFP/JOE KLAMAR
Der Reihe nach: Hofer wurde am 2. März 1971 in Vorau geboren, in Pinkafeld wuchs er auf. Nach dem Abschluss der Matura auf der HTL für Flugzeugtechnik arbeitete der Burgenländer drei Jahre als Systemingenieur für Triebwerke und Hilfsgasturbinen sowie als Bordingenieur bei Lauda Air Engineering. Seine ersten Schritte auf dem politischen Parkett wagte er im Jahr 1994 – er trat der FPÖ bei, wurde Stadtparteiobmann, Wahlkampfleiter und Organisationsreferent der Freiheitlichen in Eisenstadt. Bald stieg Hofer zum Landesparteisekretär auf, wechselte 1997 in den Eisenstädter Gemeinderat, wurde Klubsekretär. APA/HELMUT FOHRINGER
Im April 2005 spalteten sich die Freiheitlichen auf: Jörg Haider gründete das BZÖ, Strache übernahm die „Rest“-FPÖ, für die sich Herbert Kickl und Norbert Hofer entschieden. Strache soll Hofer zunächst den Posten als Generalsekretär angeboten haben, dieser lehnte jedoch ab – der Job passte besser zu Kickl. Hofer wurde stattdessen stellvertretender Bundesparteiobmann. Im Jahr darauf zog er in den Nationalrat ein. APA/GEORG HOCHMUTH
Hofer, der auch als Behindertensprecher agierte, zählt zu den Chefideologen der FPÖ: Am 2013 in vierter Auflage erschienenen „Handbuch freiheitlicher Politik“ war er federführend beteiligt, ebenso am aktuellen Parteiprogramm – und das, obwohl der Vater von vier Kindern (aus zwei Ehen) eigentlich aus bürgerlichem Umfeld kommt: Sein Vater war ÖVP-Gemeinderat. In einem Interview im Laufe des Präsidentschaftswahlkampfes, räumten er und seine Frau Verena ein, sich deswegen zunächst heimlich getroffen zu haben. APA/ERWIN SCHERIAU
Im Laufe seiner politischen Karriere gab es von dem 48-Jährigen auch eigenwillige Vorstöße, wie den (mittlerweile revidierten) nach einer Abschaffung des Verbotsgesetzes oder den nach der Erforschung von Chem-Trails – letzteres eine Position, die eher von Verschwörungstheoretikern vertreten wird. Hofer ist Mitglied im elitären St-Georgs-Orden sowie Ehrenmitglied der schlagenden Burschenschaft Marko-Germania Pinkafeld. Sein jetziger Büroleiter ist René Schimanek, der gemeinsam mit seinem Bruder Hans-Jörg im Tross vom verurteilten Neo-Nazi Gottfried Küssel unterwegs war. REUTERS
Hofer galt als „freundliches Gesicht“ der FPÖ, er trat ruhig auf, gab sich umgänglich. Im Präsidentschaftswahlkampf ließ er auch in sein Familienleben blicken, gab gemeinsam mit seiner jüngsten Tochter ein Interview, sprach über seine Lieblingsserie („The Good Wife“), seine Haustiere (Katze und Hund). Doch er kann nicht nur sanftmütig. Das belegt der berühmt gewordene Satz aus dem Präsidentschaftswahlkampf: "Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“ REUTERS
Möglich wurde durch die Nationalratswahl 2017 eine Regierungsbeteiligung der FPÖ. Norbert Hofer, der 2003 einen Paragleit-Unfall hatte (er stürzte aus 15 Metern ab, zog sich eine inkomplette Lähmung zu, kann nach einer mehrmonatige Rehabilitation aber wieder gehen), wurde Infarstrukturminister. Als solcher fiel er vor allem mit Themen wie dem Tempo 140, dem LKW-Abbiegeassistenten und Umfärbungen in staatsnahen Betrieben auf. APA/AFP/DIETER NAGL
Hofer war in der Zeit von Türkis-blau (gemeinsam mit Gernot Blümel auf türkiser Seite) Regierungskoordinator und war damit in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden. Die immer wieder auftauchenden Gerüchte nach der Präsidentschaftswahl, wonach er die FPÖ von Strache übernehmen könnte, wurden stets vehement dementiert. Im Ibiza-Video sagte Strache: „Solange ich nicht tot bin, hab ich die nächsten zwanzig Jahre noch das Sagen.“ Doch sollte ihm etwas zustoßen würden, wie er selbst sagte, sollten Norbert Hofer oder Johann Gudenus übernehmen. Und Hofer wurde im Septemer 2019 zum Nachfolger Straches gewählt APA
Norbert Hofer: Das freundliche Gesicht der FPÖ gibt Parteivorsitz ab
Die einen wollen ihre Themenhoheit, die anderen ihre Wähler: Die Grünen bekommen nun bei ihrem Kernthema Konkurrenz. Vor der Wahl könnte sich der Trend noch verstärken.
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