Nach einer hitzigen Debatte mit zahlreichen Schuldzuweisungen hat der Nationalrat den Neuwahlantrag abgesegnet - und spielt den Ball damit an die Übergangsregierung, die nun einen Termin festlegen muss.
In seiner ersten Sitzung nach der Absetzung der Bundesregierung von Sebastian Kurz hat der Nationalrat die vorgezogene Nationalratswahl auf den Weg gebracht. Konkret: Der Neuwahlbeschluss wurde von allen Fraktionen - ausgenommen der Liste Jetzt - abgesegnet. Damit ist nun die Übergangsregierung, die sich am Mittwoch erstmals dem Parlament präsentiert hat, am Zug: Sie muss in einer Ministerratsverordnung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats einen Termin für den Urnengang festlegen. Als am wahrscheinlichsten gilt der 29. September, den SPÖ und FPÖ präferieren. Vorangegangen war der Abstimmung eine hitzige Debatte inklusive türkis-rot-blauen Schuldzuweisungen.
Das „Ibiza-Video" habe klar gemacht, was passieren müsse, sagte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl: "Da gibt es nur eines, Reißleine ziehen, dann muss es Neuwahlen geben." Doch "dann kam der Rendi-Kickl-Pakt" und der Übergangsregierung von Sebastian Kurz sei das Vertrauen entsagt worden, spielte er auf das Misstrauensvotum an, das durch SPÖ (Parteichefin Pamela Rendi-Wagner) und FPÖ (designierter Obmann ist nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache nun Norbert Hofer, der sich mit Ex-Innenminister Herbert Kickl auch die Klubführung teilt) eine Mehrheit fand.
Nun sei eine Regierung ohne politische Erfahrung bis zur Wahl in Verantwortung, kritisierte Gerstl - dabei hätte Kurz doch die vakanten FPÖ-Minister (sie hatten ihre Ämter niedergelegt, nachdem die ÖVP den Rücktritt von Kickl gefordert hatte) mit vier unabhängigen Experten ersetzt gehabt. Auch den 29. September als wahrscheinlichen Wahltermin kritisierte der ÖVP-Abgeordnete: Vier Tage davor sei eine Plenarsitzung angesetzt, hier drohten Beschlüsse mit Milliardenkosten.
Selbstbewusst genug, "nicht ÖVP-Termin“ zu nehmen
Peter Wittmann von der SPÖ ließ die Vorwürfe und Prophezeiungen nicht gelten. Das Parlament sei selbstbewusst genug, "den eigenen Termin zu nehmen und nicht den ÖVP-Termin". Kurz habe ganz allein diese Neuwahl gewollt, verabscheue das Parlament aber so sehr, dass er bis zur Wahl nicht sein Mandat annehme. "Sie werden an dieser Überheblichkeit noch zu kiefeln haben, weil Hochmut kommt vor dem Fall", sagte er.
Der Freiheitliche Harald Stefan bestritt daraufhin, dass das „Ibiza-Video" die Koalition zu Fall gebracht habe. Es sei lediglich die nachträgliche ÖVP-Forderung nach Heinz-Christians Straches Rücktritt gewesen, Innenminister Herbert Kickl abzusetzen und das Ministerium zu übernehmen. Der eigentliche Skandal ist aus seiner Sicht aber die Entstehung des Videos. Den Wahltermin Ende September begründete er mit der Rücksicht auf die Sommerferien. Danach sei ein kurzer Wahlkampf garantiert, auch wenn die ÖVP schon jetzt damit begonnen habe.
Dass sich die FPÖ nicht aus der Verantwortung stehlen könne, betonte Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger. Strache und Johann Gudenus hätten ihre Bereitschaft zur Korruption geäußert, "das ist keine besoffene Geschichte". Nun biete sich die Möglichkeit, für Transparenz bei der Parteienfinanzierung zu sorgen.
Alfred Noll von der Liste Jetzt begründete seine Skepsis zur raschen Neuwahl. Der Nationalrat könne endlich zeigen, dass hier nicht "willenlose Marionetten an den Stricken der einzelnen Parteizentralen" am Werk seien.
Auf dem Weg zum Neuwahltermin
Gestern, Dienstag, wurde der Neuwahlantrag, den alle Fraktionen außer der Liste Jetzt mitgetragen haben, im Verfassungsausschuss beschlossen. Damit wurde formal festgelegt, dass die Legislaturperiode frühzeitig endet und der Neuwahltermin „im September“ liegen wird. Ein Abänderungsantrag, der den Neuwahlbeschluss am 3. Juli in Kraft treten lässt, wurde mit einer Mehrheit von SPÖ und FPÖ abgesegnet, sodass sich kein Urnengang vor dem 29. September ausgeht. Heute, Mittwoch, lag der abgeänderte Neuwahlantrag im Plenum des Nationalrates zur Abstimmung vor. Nun ist die Übergangsregierung am Zug: Sie muss in einer Ministerratsverordnung den Neuwahltermin festlegen. Die Verordnung braucht dann wiederum im Anschluss noch im Hauptausschuss des Nationalrates eine Mehrheit.
(APA/hell)