Dubiose Vorgänge um die Medikamentendatenbank

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Symbolbild(c) Bilderbox / Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Der Hauptverband der Sozialversicherungen steht im Verdacht, öffentliche Ausschreibungen umgangen zu haben. Der Verwaltungsgerichtshof prüft derzeit - und das Projekt E-Medikation ist nun ernsthaft in Gefahr.

Wien. Ende März war die Welt noch eine heile: In seltener Eintracht hoben Gesundheitsminister, Hauptverband der Sozialversicherungen, Ärzte- und Apothekerkammer das Projekt E-Medikation aus der Taufe. Das Unterfangen hat ein hehres Ziel: Der Patient bekommt ein persönliches Konto, in dem verschriebene und rezeptfreie Arzneien gespeichert werden. Ärzte und Apotheker können die Daten abrufen. Auf diese Weise sollen Wechselwirkungen vermieden werden.

Doch drei Monate nach Start des Pilotbetriebs ist das Projekt ernsthaft in Gefahr. Denn die Ärztekammer erhebt schwere Vorwürfe gegen den Hauptverband: Er habe sich einiger rechtlicher Tricks bedient, um Ausschreibungen zu umgehen und damit Monopolisten der IT-Branche gestärkt, sagt Gert Wiegele, Vizeobmann der niedergelassenen Ärzte, zur „Presse“.

Mitte April schon gab das Bundesvergabeamt dem Einspruch eines Tiroler Arztes statt: Der Hauptverband hatte freihändig drei Softwareunternehmen beauftragt, die Computerprogramme der Pilotärzte für die E-Mediaktion aufzurüsten. Der Auftrag hätte ausgeschrieben werden müssen, befand das Amt und verurteilte den Hauptverband zu 24.000 Euro Geldbuße, einem Zehntel des Vertragswertes.

„Unzulässige Verträge“

Der E-Medikation wurde damit der rechtliche Boden entzogen. Seither kann kein Arzt mehr ins Projekt aufgenommen werden. Auch für Wartungsarbeiten an den Computern dürfen die Softwarefirmen nicht mehr herangezogen werden – jedenfalls nicht vom Auftraggeber.

Also ging der Hauptverband zu Plan B über: Die Pilotärzte wurden aufgefordert, Servicearbeiten direkt mit den Betrieben zu verrechnen und die Rechnungen der Sozialversicherung zu schicken. „Unzulässige Umgehungsverträge“ nennt das die Kammer. Der Hauptverband sieht daran nichts Unrechtes.

Doch der Streit hat noch eine zweite Komponente. Für die E-Medikation mussten einige Datenbanken mit jener des Hauptverbandes verbunden werden. Dazu brauchte es eine spezielle Software. Ausgeschrieben wurde auch hier nicht. Im August 2010 beauftragte der Hauptverband die Pharmazeutische Gehaltskasse, eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Die Gehaltskasse stellt diese Produkte jedoch selbst nicht her, deshalb musste sie bei Privaten einkaufen: Die Datenbanken beim Apothekerverlag und die Software, um 1,5 Millionen Euro, bei Siemens.

Gegen diesen „Dschungel der Vertragskette“ (Ärztekammer-Chef Walter Dorner) hatte der Tiroler Arzt auch berufen: Weil die Ausschreibungen für diese Aufträge umgangen worden seien, wie sein Anwalt Martin Oder sagt. Der Hauptverband würde sich nun auf ein EuGH-Urteil berufen, wonach zwei öffentlich-rechtliche Körperschaften gemeinsame Projekte nicht ausschreiben müssen.

Die Krux dabei: „In diesem Fall gilt das nicht, weil die Gehaltskasse nicht in der Lage ist, die Leistungen anzubieten. Sie war nur ein Vehikel, um den Auftrag vom Markt fernzuhalten“, sagt Oder. Das Bundesvergabeamt gab dem Gesuch nicht statt – allerdings nur, weil die Einspruchsfrist von sechs Monaten abgelaufen war. Also ging der Arzt zum Verwaltungsgerichtshof, wo das Verfahren derzeit anhängig ist.

Die Standesvertretung der Ärzte fordert daher einen sofortigen Stopp der E-Medikation: „Wir wollen klare rechtliche Grundlagen für unsere Projektärzte“, sagt Wiegele. Der Hauptverband spricht von „Verunsicherung“: Weder rechtlich noch organisatorisch sei die E-Medikation derzeit in Gefahr. Außerdem, betont Pressesprecher Dieter Holzweber, handle es sich nach wie vor um einen Pilotversuch mit rund 100 Ärzten. Wenn das Projekt auf ganz Österreich ausgerollt werde (was eigentlich für Mitte 2012 geplant ist), „dann wird es natürlich eine Ausschreibung geben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2011)

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