Es geht auch ohne First Lady ganz gut

THEODOR KÖRNER. Der greise Bundespräsident war unsterblich verliebt – aber nur heimlich.

Reinhart Waneck? Da war doch was. Richtig: FPÖ-Staatssekretär war er in der Ära Schüssel I. Auf der Suche nach geeigneten freiheitlichen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl im kommenden Jahr ist man – neben Siegfried Dillersberger und Norbert Gugerbauer – auch auf den Namen Waneck verfallen. Doch der Primarius hat sich sofort selbst aus dem Spiel genommen: „Wenn ich nochmals in die Politik gehe, lässt sich meine Frau scheiden.“

Er wäre nicht der erste Bundespräsident, der ohne „First Lady“ hätte auftreten müsste. Karl Renner (er amtierte von 1945 bis zum 31. Dezember 1950) war zwar verheiratet, seine Ehefrau Luise trat jedoch nie öffentlich auf. Sie blieb auf dem Familiensitz in Gloggnitz, der heute ein Museum beherbergt.

Renner heiratete nur aus Räson

Um die Ehe des zweifachen Staatsgründers (1918 und 1945) rankt sich eine aparte Geschichte. Der Jusstudent war Sohn bettelarmer Eltern im mährischen Untertannowitz und musste sein Studiengeld mit Stenografie-Nachhilfe verdienen. Siegfried Lipiner, der Chef der Parlamentsbibliothek, wurde auf ihn aufmerksam und erwirkte ihm eine Anstellung per Dezember 1895. Doch Renner lebte in „wilder Ehe“, was damals als grob unschicklich und mit der Ehre des Beamtenstandes unvereinbar galt. Luise Stoisics hatte er 1890 in Wien kennengelernt, im August 1891 bekam das Paar eine Tochter. Renner sträubte sich lange gegen die konservativen Zwänge: „Mir galt diese Liebe als das ernsteste, dauerndste Bündnis des Lebens und der Seele, die bürgerliche Ehe als eine verächtliche Einrichtung und die staatskirchliche Zeremonie der Eheschließung als Farce“, schrieb er noch 1892. Doch dann unterwarf er sich und heiratete „ohne alle Form und Festlichkeit, auch ohne sonderliche Seelenbewegung“. Die Pragmatisierung als Beamter war ihm denn doch eine Messe wert.

Als Karl Renner hochbetagt starb, hatten sich die Rahmenbedingungen stark verändert: War der „Vater des Staates“ noch von der Bundesversammlung gewählt worden, so galt nun ein neues Wahlrecht: Der Präsident hatte vom Volk gewählt zu werden. Und somit kamen die politischen Parteien ins Spiel, denn nur eine solche Gruppierung kann eine erfolgreiche Wahlkampagne auf die Beine stellen. Die ÖVP nominierte den populären oberösterreichischen Landeshauptmann Heinrich Gleissner (57, verheiratet); die Sozialisten baten den Wiener Bürgermeister Theodor Körner, sich als „Zählkandidat“ zu opfern. Viel Chancen rechneten sie sich nicht aus: Körner war zwar in der Bundeshauptstadt äußerst beliebt, aber er stand im 77. Lebensjahr.



„Meine Funktion läuft von 1951 bis 1957. So lange werde ich bestimmt leben, damit die Partei nicht noch einmal so viel Geld hinauswerfen braucht.“

Theodor Körner, Brief an Schärf, August 1951

In der Stichwahl siegte überraschend der Wiener Bürgermeister. Und zwar mit den Stimmen des „Dritten Lagers“, das sich erst 1949 als VdU formiert hatte und im Zweifelsfall rot statt schwarz votierte. Körner war nicht sehr erbaut über seinen Sieg. Seine Schwerhörigkeit machte ihm bereits zu schaffen, aber er „schulterte“ auch dieses Amt im Staatsinteresse.

Der gewesene k. u. k. Generalstabsoberst Körner (Edler von Siegringen) war Junggeselle. Eine offizielle „First Lady“ fehlte also. Was aber keineswegs bedeutet, dass er zeitlebens „frauenlos“ war. Lange schon war bekannt, dass Körner mit der verwitweten Baronin Netka von Latscher bis zu deren Tod im Jahre 1943 zusammenlebte. In der Wiener Mahlerstraße. Die Liaison wurde nur aus pensionsrechtlichen Gründen nicht geschlossen, weiß Parteihistoriker Norbert Leser zu berichten.

Nicht bekannt hingegen war bis vor Kurzem, dass auch der alte Bundespräsident Körner noch schwer verliebt war und sich in einer „Ersatzfamilie“ äußerst wohlfühlte. Trix Hartmann-Bolla hieß die Umschwärmte. Ihre Tochter, Cherica Schreyer-Hartmann, bringt demnächst ein Buch auf den Markt, das diese Liebesbeziehung anhand jetzt entdeckter Briefe dokumentieren wird.

„I love you!“

So unterzog sich Körner im August 1952 einer Durchuntersuchung beim legendären Professor Hoff. Seine Trix hatte ihn überredet. In einem fröhlichen Brief berichtet Körner daraufhin nach Kitzbühel: „Seine Reden gipfelten in der Ausführung: Sie sind ganz in Ordnung (bis auf den Fuß) und können noch jahrelang (!) geistig frisch arbeiten. Nur dem physischen Alter Rechnung tragen, keine Bravourstücke machen! Darling! Jahrelang? I love you! Wäre dies ein großes Glück! Herzliebstes, innigst Geliebtes...“

So problematisch uns die Veröffentlichung intimer Liebesbriefe auch anmuten muss – eine Legende ist damit beseitigt: Dass der „Junggeselle“ Körner homosexuell orientiert gewesen sei. Aus einer einschlägigen Ausstellung musste Körners Foto erst jüngst über Ersuchen der Präsidentschaftskanzlei entfernt werden.

Politisch und zeithistorisch interessanter sind da schon die Briefe, die zwischen dem greisen Bundespräsidenten und dem Chef der SPÖ, Adolf Schärf, hin- und herflogen. Auch Schärf dürfte von der privaten Beziehung des Präsidenten nichts geahnt haben, denn er kritisierte mehrmals den saloppen Umgang Körners mit Gästen in dessen Dienstvilla in der Grinzinger Himmelstraße – so etwas sei eben typisch für Junggesellen, stellt Schärf säuerlich fest. Auch der enge Kontakt Körners mit dem „kleinen Mann auf der Straße“ schreckte Schärf ab.

„Schreckenstat“ in Grinzing

„Bescheidenheit ist eine Zier“, beginnt eine der Episteln Schärfs an den „hochverehrten“ Parteifreund (4. August 1951). „Aber Überbescheidenheit nicht: Am Mittwoch abends fuhr ich auf den Cobenzl; gegenüber der Endstation in Grinzing standest Du bei einem Autobus inmitten einer Menge, die Dich wie ein Wundertier begaffte. Hinter mir fuhr etwas später ein Genosse; er hatte mir einige Tage später erzählt, dass dieses Stehen vor dem Autobus nach seiner Auffassung nicht erhebend wirkte. Wenn ein Bundespräsident Zeit hat, meinte er, so wolle er sie nicht bei einer Haltestelle zubringen, wo die Leute zum Heurigen gehen. Bitte nimm diese Ausführungen als den Ausdruck meiner Verehrung entgegen...“



„Herr Bundespräsident, die Genossen drüben meinen, du solltest einen Hörapparat anschaffen. Du verstehst nur noch die Hälfte!“

Kabinetts-Vizedirektor Bruno Kreisky zu Körner

„Die Hälfte genügt mir vollkommen!“

Antwort Körners

Aber der unkomplizierte alte Herr hatte schon verstanden. Zuerst schrieb er seiner Trix nach Kitzbühel: „...Mit Schärf habe ich ein Hühnchen zu pflücken, wegen eines sehr unverschämten Briefes – seit welcher Zeit ich mit ihm (brieflich) nur amtlich verkehre.“ Und dann richtete der Bundespräsident dem Kritiker unmissverständlich aus: „...Die Schreckenstat bei der Omnibushaltestelle ist wahrheitsgemäß folgende. Um drei Uhr nachmittags hatte ich die neue Wohnung bezogen (die Dienstvilla in der Himmelstraße, Anm.). Ich glaube 6 oder 7 Uhr abends wollte ich rekognoszieren, wo das nächste Postkastl ist, um einen Brief aufzugeben, was leider erst bei den Haltestellen möglich war. Ich habe ganz kurz mit den Leuten gesprochen und konnte denen doch nicht sagen, dass ich jetzt was ,Höheres‘ bin und mich in die Wolken zurückziehe. Und dem ,Flüsterer‘ kannst Du sagen, bei der Omnibushaltestelle sind nicht die Weinbeißer zu finden, sondern diejenigen, die auf den Kahlenberg fahren, nicht aber die Leute, die zum Heurigen gehen.“ Und: „Mit Tratsch und Halsabschneidern muss ich rechnen, die Gaffer und Neugierigen freundlich zu begrüßen ist nicht zu vermeiden.“

Körner tat ein Übriges: Er verzichtete auf die Servierkünste der zwei Kriminalinspektoren in seinem Vorzimmer. Am ersten Arbeitstag fragte der eine: „Bitte, Semmeln oder Brot oder Eier?“ Darauf Körner: „Sie sind doch ein Beamter?“ Der Inspektor: „Bitte, es war immer so.“ Körner machte sich über die Zustände in der Hofburg per Brief an Schärf Luft: „Pfui Teufel, die zwei Herren brauche ich nicht. Garstige Einblicke!“

Schärf hielt mehr auf Formen

Der pedantische Jurist Schärf hatte da eine ganz andere Auffassung von der Würde des Bundespräsidenten – er konnte diese ja später als Amtsnachfolger Körners auch praktizieren. Obwohl er auf eine Amtsvilla verzichtete und in der Wohnung in der Skodagasse blieb, achtete er streng auf Distanz zu den Bürgern. Aber eine „First Lady“ gab es auch bei ihm nur indirekt: Nach dem Tod seiner Ehefrau war die Tochter stets an seiner Seite. Als verheiratete Martha Kyrle machte sie hervorragende Figur bei Staatsempfängen – sie ist heute noch gern gesehener Gast in diversen Wiener Salons.

INTERIMS-PRÄSIDENTEN

Im Falle der „dauernden Verhinderung“ des Bundespräsidenten übernimmt der Bundeskanzler bzw. das Nationalratspräsidium interimistisch die Amtsführung in der Hofburg bis zur Angelobung des neuen Präsidenten.

Leopold Figl „amtierte“ nach Karl
Renners Tod (am 31. Dezember 1950) bis zum 21. Juni 1951.

Julius Raab nach Körners Tod (4. Jänner 1957–22. Mai 1957).

Josef Klaus nach Adolf Schärfs Tod (28. Februar 1965–9. Juni 1965).

Bruno Kreisky nach Franz Jonas' Tod (24. April 1974–8. Juli 1974).

Andreas Khol, Barbara Prammer, Thomas Prinzhorn als Kollegialorgan nach dem Tod von Thomas Klestil (6. Juli 2004–8. Juli 2004). In diesem (bisher einmaligen) Fall amtierte das Parlamentspräsidium interimistisch, weil der Amtsnachfolger Klestils (Heinz Fischer) schon gewählt war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2009)

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