Das Dilemma von freiem Dienstvertrag und Werkvertrag

Konflikt. Ein Freelancer wickelt einen Auftrag im Büro oder mit Betriebsmitteln des Auftraggebers ab. Und schon schlägt die Krankenkasse zu.

Auf einen Blick

Ein Werkvertragnehmer steht außerhalb des Arbeitsrechts und ist steuer- und sozialversicherungsrechtlich für sich selbst verantwortlich“, skizziert Ralf Peschek, Partner der Kanzlei Wolf Theiss, die Werkvertragsproblematik. Arbeitet derselbe Freelancer jedoch unter Anleitung oder in den Räumlichkeiten des Auftraggebers oder benutzt er dessen Betriebsmittel, liegt ein freier Dienstvertrag vor – für den der Auftraggeber Beiträge zur Sozialversicherung abführen muss.

In der Praxis stolperten viele Auftraggeber über diese schmale Abgrenzung. Da führt ein selbstständiger Trainer eine einwöchige Schulung im Haus seines Auftraggebers durch – und muss schon von diesem nach ASVG (für Unselbstständige) angemeldet werden, obwohl er sich bereits selbst nach GSVG (für Selbstständige) versichert hat.

Gefürchtete Nachforderung

Krankenkassen und sogar Finanzpolizei „kontrollieren ASVG-Anmeldungen derzeit fast schon aktionistisch“, berichtet Martin Gleitsmann, WKO-Leiter der Abteilung Sozialpolitik. Ein Auftraggeber müsse selbst dann mit einer Nachforderung rechnen, wenn beide Seiten die Variante Werkvertrag aus guten Gründen gewählt haben: das Unternehmen, weil es sich die Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung nicht leisten kann (oder nicht will), und der Freelancer, weil er sich freiwillig zur Selbstständigkeit entschieden hat oder vielleicht nur so an die überlebensnotwendigen Aufträge herankommt.

Wer will, soll dürfen

Betroffene Selbstständige wünschen sich eine schlichtende Schiedsstelle und einen wirtschaftlich vernünftigen Zugang. Immo Mohrenschildt, Geschäftsführer der Marketingberatung Mohrenschildt & Partner: „Wer selbstständig sein will, soll es sein dürfen. Wir wollen weder ein Heer von Arbeitslosen noch von kaputten Betrieben.“

Die Gegenposition vertritt Doris Lutz von der Abteilung Sozialpolitik in der AK Wien. Dort häufen sich Klagen von Scheinselbstständigen, die ins Prekariat gedrängt werden: „Dabei  müssten sie das Zwei- bis Dreifache von Unselbstständigen verdienen, um die Unterschiede auszugleichen“, meint Lutz. Das Problem liege nicht in juristischer Unsicherheit, sondern im Wildwuchs der freien Gewerbe als Folge der liberalisierten Gewerbeordnung: „Es gab sogar schon selbstständige Kranfahrer.“

Was heißt schon „freiwillig“?

Unterschiedliche Datenlagen bezüglich des Zuwachses der Einpersonenunternehmen (EPU) erschweren den Vergleich: Laut WKO würden bei einem aktuellen Stand von 251.000 EPU täglich 114 neue gegründet. Laut Statistik Austria gebe es nur 157.000 EPU, allerdings weise sie jene mit einem Jahresumsatz unter 10.000 Euro nicht aus. Auch über den Begriff der freiwilligen Vertragswahl ließe sich streiten, meint Lutz: „Wie wollen Sie das denn überprüfen?“

Gleitsmann wertet als Erfolg, dass bei den oft scharfen Kontrollen der Gebietskrankenkassen inzwischen Vertreter der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) beigezogen werden können: „Weil sie einen Versicherten verliert, wenn ein Freelancer ins ASVG wechselt.“ Auch müsse man bei Selbstständigen in den höheren Verdienstklassen, etwa ab 5000 Euro monatlich, kein Schutzbedürfnis mehr unterstellen.

Ein freier Dienstnehmer stellt seine Arbeitskraft zur Verfügung, ohne für das Ergebnis verantwortlich zu sein und ohne sich wie ein Arbeitnehmer in persönliche Abhängigkeit zu begeben. Er muss jedoch bei der Gebietskrankenkasse angemeldet sein. Ein Werkvertragnehmer verpflichtet sich zur Erbringung eines Ergebnisses und ist steuer- und versicherungsrechtlich für sich selbst verantwortlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

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