Hearings: Prüfung zum Quadrat

Recruiting. Wer sich 2017 für eine Spitzenposition bewirbt, wird mehr denn je auf Herz und Nieren geprüft, weit über übliche Assessments hinaus. Das Schlagwort der Stunde heißt Hearing.

Kalte Hände. Nervosität. Auch toughe Manager, die dieser Tage um eine Spitzenposition rittern, fühlen sich in ihre Maturazeit zurückversetzt. Grund ist eine neue alte Recruitinghürde, die sich aktuell im gehobenen Management großer Beliebtheit erfreut: das Hearing.
Ein Hearing ist eine Kandidatenprüfung unter erschwerten Bedingungen. Der „Delinquent“ (so sah es ein Betroffener) steht einer fünf- bis 20-köpfigen Kommission gegenüber. Vor der soll er eine meist viertelstündige Selbstpräsentation halten, in die seine Vorstellungen von Funktion, Zielen und Wegen eingebaut sind. Mit Samthandschuhen wird er dabei nicht angefasst: Oft wird Powerpoint-Unterstützung verwehrt („weil nur Sie auf uns wirken sollen“) und mit Zeitablauf abrupt abgebrochen.
Im zweiten Schritt wird der Kandidat einem Kreuzverhör unterzogen. Von hearing-geeichten Managern ist zu hören, dass es auch dabei nicht gerade zimperlich zugeht.

Bereit für die große Bühne

Selbst prominente Kapazunder bestehen ein solches Intensivröntgen nur mit gründlicher Vorbereitung. Die Coachingszene verzeichnet ein merkliches Ansteigen der Nachfrage nach professioneller Begleitung. Executive-Coach Regina Jankowitsch folgt dabei diesem Leitfaden:

  • Was sind die Spielregeln? Nicht immer erfährt der arglose Kandidat Prozedere und Erwartungshaltung im Voraus. Wer sich durch einen unerwarteter Zeitplan nicht aus dem Konzept bringen lassen will, erkundigt sich vorab.
  • Wer sitzt in der Kommission? Standard sind künftige Vorgesetzte (Aufsichtsrat, Vorstand, Präsident), Personalverantwortliche, Betriebsrat/Personalvertretung und Executive Searcher. Gleichrangige werden nur selten beigezogen. Bei politischem Bezug kommen Parteirepräsentanten dazu; bei universitärem Bezug der Rektor und der personalverantwortliche Vizerektor, Senat, Universitätsrat und Hochschulvertreter.
  • Wie sieht das Setting aus? Das zu wissen hilft, sich psychisch auf die Situation einzustellen. Ob U-Tafel, Oval oder separiertes Einzelpult, immer steht der Kandidat allein der Gruppe gegenüber.
  • Was will ich transportieren? Für die Selbstpräsentation empfiehlt Jankowitsch ein dreiteiliges Vorgehen. In der ersten, etwa dreistündigen Sitzung werden Konzept, Struktur und Botschaft erarbeitet, dazu kommen Differenzierungsmerkmale zu den Gegenkandidaten. Doch wer die sind, ist nicht immer leicht herauszufinden.
    In der zweiten, etwa vierstündigen Sitzung wird die Präsentation eingeübt. Mit Videoanalyse wird an Körpersprache und Ausdruck gefeilt. Der Coach fungiert dabei als Advocatus Diaboli und deckt Schwachstellen und blinde Flecken auf.
    Die dritte, meist 90-minütige Sitzung ist die Generalprobe. Jetzt sind auch Outfit und Styling auf die künftigen Repräsentationsaufgaben abgestimmt. Wichtig: Die Präsentation darf nicht auswendig gelernt werden, sonst wirkt sie einstudiert und leblos.
  • Fit für das Kreuzverhör. Die meisten Fragen sind antizipierbar, unangenehm nur wegen Gruppendynamik und Rollenspiel. Um sich darauf einzustellen, muss der Kandidat den Fokus jedes einzelnen Kommissionsmitglieds herausfinden. Mutige sprechen jeden direkt darauf an. Es geht nicht nur um die Worte, mit denen man die Fragen pariert, es geht auch um Souveränität. Denn letztlich will die Kommission nur herausfinden, warum gerade dieser Kandidat der Richtige ist – wie bei jeder anderen Bewerbung auch.
(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Executive-Coach Regina Jankowitsch

Auf einen Blick
Hearings sind Kandidatenprüfungen unter erschwerten Bedingungen. Nach einer Selbstpräsentation werden die besten Bewerber von einer vielköpfigen Kommission einem Kreuzverhör unter-zogen. Anders als im Assessment Center sind weder praktische Aufgaben zu lösen noch die Teamfähigkeit in der Gruppe unter Beweis zu stellen. Es fehlt auch der dialogische Charakter des klassischen Bewerbungsinterviews.

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