Loblied auf den Pioniergeist

Trendforscher Franz Kühmayer erklärt, warum Start-ups und Konzerne nicht zusammenarbeiten können. Und er entdeckt ein neues Buzzword.

Da soll ein Konzern nicht verunsichert sein. Ganz neue digitale Spieler entern den Markt und verändern ihn mit ihren Daten und Algorithmen. Die Globalisierung spült Wettbewerber nach oben, die aus Ländern kommen, die eben noch als verlängerte Werkbank galten. Die Kunden verweigern plötzlich, was sie immer wollten. Und die Mitarbeiter spuren auch nicht mehr.

Was also macht ein in seinen Grundfesten erschütterter Konzern? Er geht auf Studienreise ins Silicon Valley, beobachtet Strategieberater und Zukunftsforscher Franz Kühmayer in seinem aktuellen Leadershipreport. Dann schließt er Partnerschaften mit Start-ups und richtet in seinem Unternehmen Innovation Labs  ein.

Bloß, die funktionieren nicht so recht. Weil das Neue, das die Start-ups mitbringen sollten, in etablierten Unternehmen nicht gedeiht. Weil letztere sich zwar den „Spirit“ abkupfern, die alten Organisations- und Geschäftsmodelle aber bitteschön nicht anrühren wollen. Es spießt sich: Die Start-ups wehren sich gegen den rigiden Konzern und der sperrt sich gegen das "Disruptive" (noch so ein Modewort).

Die Frage lautet also nicht, wie das Neue ins Unternehmen kommt, sondern wie es sich durchsetzt. An Ideen mangle es den Konzernen ohnehin nicht. Doch jede einzelne gefährde das Bestehende und würde reflexartig als Fremdkörper eliminiert – eine ganz natürliche Abwehrreaktion.

Wahre Pioniere dürfen naiv sein

Um ihre Babys schlussendlich doch zum Laufen zu bringen, springen die kreativsten Köpfe ab und gründen selbst. Gute Führungskräfte, meint Kühmayer, könnten das abwenden. Für sie hat er ein paar Anregungen:

  • Ein Hoch auf die Naivität. Oft wird die „Wir wollen die Welt retten“-Attitüde vieler Start-ups belächelt. Tatsächlich ist sie ein zentrales Elemente für Wandel und Fortschritt. Also: nicht lächeln, sondern mitträumen.

  • Mehr Optimismus. Nicht das "Fahrwasser der scheinbaren Unausweichlichkeit", sondern der Glaube an eine bessere Welt mache es möglich, sich dem Ideal Schritt für Schritt zu nähern. Von klein an müssten junge Menschen zu mehr Pionier- und Unternehmergeist ermutigt werden. Letzteren definiert Kühmayer aus den Komponenten Antrieb, Widerstandsfähigkeit und Umsetzbarkeit.

  • Schmeiß' die Fehlerkultur über Bord. Wo keine Fehler gemacht werden dürfen, entstehen keine Innovationen. Wer schon in der Schule gelernt hat, postwendend nach dem Schuldigen zu suchen, wenn etwas schiefgeht, wird nie ein Innovator. Frei nach Genetiker Markus Hengstschläger fordert Kühmayer, kein Heer von durchschnittlichen Zehnkämpfern zu züchten, sondern herausragende Speerwerfer, Tänzer und Forscher.

Und noch ein neues Buzzwort

Im Übrigen sei es gar nicht tragisch, dass ein Gutteil der Start-ups seine Gründerjahre nicht überlebt. Zum darwinistischen "survival of the fittest" gehöre eben auch das Aussterben ganzer Arten. Damit das seltener passiert, greift Kühmayer ein neues Buzzwort auf: Lean Agility, die Synthese aus dem Streben nach mehr Beweglichkeit und der klassischen Minimax-Regel. Wer die gerade nicht gegenwärtig hat: Hat man mehrere Alternativen, wählt man die sicherste mit dem bestmöglichen Resultat.

Wer sich für Lean Agility interessiert, sollte deren fünf Prinzipien kennen:

  • konsequente Ausrichtung auf den Kunden
  • dezentrale Strukturen mit klarer Ergebnisorientierung
  • Eigenverantwortung und Empowerment
  • Offene Informations- und Feedbackprozesse und
  • Führen auf der normativen Ebene.

Mehr dazu am Samstag, 18. Februar, in der „Presse“ unter dem Titel „Losgelöst von allen Hierarchien“.

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