Folge 37. Thomas K. arbeitet in der Produktionsabteilung eines Industrieunternehmens. Anlässlich einer Umstrukturierung wird die Aufgabenverteilung geändert. Ein Kollege übernimmt einen Teil des Arbeitsbereichs von Thomas K. Dieser ist damit unzufrieden und will den Betriebsrat einschalten.
Die Zulässigkeit von Veränderungen am Arbeitsplatz kann von der Zustimmung des Betriebsrates abhängen („Versetzungsschutz“). Mitwirkungspflichtig ist eine Veränderung, wenn es sich bei ihr um eine Versetzung handelt, die auf Dauer (oder auf zumindest 13 Wochen oder länger) angelegt ist und bei der sich entweder die Entgelt- oder die sonstigen Arbeitsbedingungen verschlechtern. Umgangssprachlich wird der Begriff Versetzung bisweilen anders verwendet, als er vom Gesetz vorgegeben ist.
Eine Versetzung ist nach dem Arbeitsverfassungsgesetz die Einreihung eines Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz. Der Begriff Arbeitsplatz ist dabei weit zu verstehen. Er umfasst nicht nur den örtlichen oder räumlichen Arbeitsbereich. Arbeitsplatz ist auch der jeweilige Tätigkeitsbereich und die Lage der Arbeitszeit. Der Gesetzgeber wollte durch den Versetzungsschutz die „fortgesetzte Identität“ des Arbeitsplatzes vor (aus der Sicht des Arbeitnehmers verschlechternden) Eingriffen des Arbeitgebers schützen. Keine Versetzung liegt demnach vor, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers laufend den Aufträgen angepasst wird, etwa bei Maurerarbeiten. Auch bloße Organisationsänderungen im Betrieb führen, für sich genommen, noch zu keiner Änderung des Tätigkeitsbereichs eines Arbeitnehmers.
Eine Versetzung setzt eine nicht bloß unerhebliche Änderung des Arbeitsortes und des Tätigkeitsbereichs oder eines von Beidem voraus. Dabei muss eine gewisse Erheblichkeit der Veränderung gegeben sein.
Wann keine Versetzung vorliegt
Räumlich betrachtet liegt eine Versetzung demnach nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer, statt im ersten Stock, ein Büro im dritten Stock desselben Bürotrakts beziehen soll. Nicht einmal die Übersiedelung im Nahebereich des bisherigen Arbeitsplatzes wurde als eine erhebliche Änderung angesehen; anders ist es jedoch, wenn der Arbeitsort vom Zentrum an den Rand einer Großstadt verlegt wird. In diesem Fall ist die Veränderung so erheblich, dass von einer Versetzung auszugehen ist.
Auch eine erhebliche Veränderung der zeitlichen Lagerung der Arbeit kann eine Versetzung darstellen, wobei hier nur massive Eingriffe in die bisherige Arbeitszeitverteilung in Frage kommen. Eine Versetzung stellt demnach der Wechsel von Normalarbeit zur Schichtarbeit dar, aber nicht eine geringfügige Verschiebung des täglichen Arbeitsbeginns oder Arbeitsendes. Auch die Änderung der Einteilung in einen an sich gleichbleibenden Dienstplan („Radldienst“) ist nach einer Gerichtsentscheidung kein so erheblicher Eingriff, dass von einer Versetzung gesprochen werden könnte.
Nach der Rechtsprechung erfüllt die bloße Einschränkung des Tätigkeitsbereichs eines Arbeitnehmers den Versetzungsbegriff noch nicht. Allerdings ist auch bei der Einschränkung des Tätigkeitsbereichs ein Eingriff vorstellbar, der so massiv ist, dass die Bagatellgrenze überschritten ist und von einer Änderung des Tätigkeitsbereichs gesprochen werden muss.
Im Fall von Thomas K. wird es daher darauf ankommen, ob die Übernahme eines Teils seines Arbeitsbereiches durch einen Kollegen in seinen Tätigkeitsbereich so massiv eingreift, dass überhaupt von einer Versetzung gesprochen werden kann. Nur in diesem Fall müsste, eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen von Thomas K. vorausgesetzt, der Betriebsrat zustimmen.
Kurt Wratzfeld ist Partner bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung in den Bereichen Arbeitsrecht, Prozessführung, Betriebspensionsrecht und allgemeines Zivilrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikationen.