Kopf stehen und gute Fragen stellen

Kreativität. „Jeder Mensch kann querdenken“, sagt Innovationsberater Christian Buchholz, Neugierde vorausgesetzt. Aber, warnt er: „Menschen müssen nicht permanent kreativ sein.“

Die Neurowissenschaftler werden über diese flapsige Formulierung hoffentlich hinwegsehen. Doch ihre Forschungen belegen: Das Hirn ist ein Energiesparapparat. Mit anderen Worten: Nur den normalen Denkkorridor nicht verlassen und vor allem in brenzligen Situationen nur keine Experimente eingehen.

Das ist für stressige Momente eine probate Reaktion, im nicht weniger stressigen (Wirtschafts-)Alltag aber ist etwas ganz anderes gefragt: die Fähigkeit zum Querdenken. Damit an dieser Stelle kein Stress aufkommt, gibt Christian Buchholz Entwarnung: Die Fähigkeit, quer zu denken, könne jeder ausüben, sagt der Mitgründer und Geschäftsführer des Verrocchio Institute und Experte für Führung und Innovation. Voraussetzung dafür sei eine Portion Neugierde.

Tatsächlich sei es aber oft geradezu erwünscht – in der Ausbildung wie im Beruf – in anderen Geschäftsfelder zu stöbern und sich inspirieren zu lassen. Denn, sagt Buchholz, „Ideen entstehen meist aus der Kombination von bereits Existierendem. Es hilft, sich umzuschauen.“
Das ist einfach und schwierig zugleich. Denn, räumt Buchholz ein, es gebe hunderte Methoden, kreativ zu denken. Allerdings passe nicht jede Methode für jede Frage. Jede Methode – und das verbinde sie alle wiederum – verlange ein gewisses Maß an Übung. Selbst so bekannte Vorgehensweisen wie das Brainstorming. Nur allzuleicht verletzen die Brainstormer immer wieder die vergleichsweise überschaubaren (Spiel-)Regeln.

Vom Alltagsdenken ablenken

Eine andere bekannte Methode ist die Kopfstandtechnik: Mit ihr wird die scheinbar logische Frage „Wie kann ich mein Schaufenster so gestalten, dass Kunden ins Geschäft kommen und einkaufen?“ auf den Kopf gestellt. Sie könnte dann lauten: „Wie müsste das Schaufenster sein, damit es möglichst abschreckend wirkt?“ Und auch diese Kopfstände wollen geübt werden. Gemeinsam ist allen Kreativmethoden darüber hinaus, „dass sie vom Alltagsdenken ablenken“, sagt Buchholz.
Neben der Neugierde gehöre zum Querdenken auch, gute Fragen zu stellen, „ganz unabhängig von den Methoden.“ Am Anfang gelte es, ein „gutes Problem“ zu finden, also ein gutes Thema und eine gute Formulierung. Oder, wie es der Experte ausdrückt, „etwas, das die Menschen begeistert, wenn das Problem gelöst ist.“
Als Beispiel für so ein „gutes Problem“ nennt er das eines US-amerikanischen Flughafens. Als Passagiere bei einer Zufriedenheitsabfrage die langen Wartezeiten von 20, 25 Minuten bei der Gepäcksausgabe beklagten, investierte man viel Geld. Mit dem Resultat, dass die Beförderungszeit des Gepäcks vom Flugzeug bis zum Band auf acht Minuten sank.
Doch entgegen allen Erwartungen waren die Passagiere weiter unzufrieden. Also formulierte man das Problem um: Statt zu fragen, wie erhöhen wir die Geschwindigkeit des Gepäcks, lautete sie dann, wie senken wir die Geschwindigkeit der Passagiere auf dem Weg zum Band. In der Folge wurde der Fußweg verlängert – und siehe da: die Passagiere gingen zwar weiter, warteten aber kürzer am Gepäcksausgabeband und waren zufriedener. Buchholz' Fazit: Wir laufen oft (zu) schnell in die falsche Richtung.

Balanceakt für Führungskräfte

Neben dem „guten Problem“ brauche es auch die Freiräume, die Dinge analysieren zu können und zu verstehen, was gebraucht wird.
Umgelegt auf die Arbeit von Führungskräften heißt das, eine Balance zwischen effizientem Abarbeiten des Standardprogramms und neuen Ideen zu finden. „Menschen müssen nicht permanent kreativ sein“, sagt Buchholz. Doch in vielen Unternehmen heiße es: „Jetzt keine Ideen einbringen, wir haben viel zu tun, wir können jetzt nicht.“ Dabei sollten Ideen wertgeschätzt werden, wie der Experte ausdrücklich betont.

(Print-Ausgabe, 26.08.2017)

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