Juristen, die die Welt verbessern

Nicht nur Anwaltskanzleien, Notariate, Rechtsabteilungen in Unternehmen oder der öffentliche Dienst suchen Juristen. Auch NGOs nehmen Jusabsolventen gern.

Abschluss, Gerichtsjahr, Konzipient, Anwaltsprüfung und irgendwann Partner. Gibt es eigentlich noch einen anderen Weg als diese vorgefertigte Karriereleiter? Das fragten sich fast 100 Studenten, die sich in den kleinen Hörsaal drängen. Geflüchtet sind sie vor dem Gedränge, das zwischen den Ständen der großen Kanzleien auf der Jussuccess herrscht. Eine Antwort erhoffen sie sich vom Vortrag Ferdinand Lischkas. Der Jurist ist Gründer der Plattform ngojobs.at und kann selbst auf einen für Rechtswissenschafter durchaus untypischen Lebenslauf zurückblicken.

„NGO-Jobs sind begehrte Jobs. Auch bei Juristen“, fackelt er nicht lange. Er selbst ist hauptberuflich Rechtsberater für Asylwerber bei der Diakonie. Dort hingekommen sei er durch sein frühes Interesse an den Themen Asyl und Menschenrechte. „Das sollte sich im Lebenslauf widerspiegeln“, rät er. „Ein Ehrenamt oder Praktikum eignen sich gut als Einstieg“, meint Lischka. Denn Stellen seien oft gar nicht ausgeschrieben und würden an schon bekannte engagierte Freiwillige vergeben.

Ein Studienschwerpunkt in Asylrecht, ein Volontariat beim Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, ein Assistenzjob bei respekt.net und ein Jahr bei der Bank für Sozialwirtschaft in Brüssel waren seine Stationen. Kurz arbeitete er auch bei einer Anwaltskanzlei: „Das war nicht so passend für beide Seiten“, erzählt Lischka und erntet verhaltenes Lachen unter den Zuhörern.

Wenn Geld, aber viel Sinn

Einen Sinn in der Arbeit sehen, persönliche Ziele verwirklichen, Zeichen setzen, werden als Gründe angegeben, bei einer NGO zu arbeiten. „Mich machen solche Weltverbesserer immer skeptisch“, gibt Lischka zu. Aber selbstverständlich könne er diesen Motiven viel abgewinnen, wenn in der Tätigkeit der Mensch im Vordergrund stehe und nicht die Bilanz.

Viele NGO versuchten, das Arbeitsumfeld entsprechend zu gestalten: geringe Hierarchien, flexible Arbeitszeitmodelle und Supervision seien normal im Sozialbereich. „Man verdient viel weniger als in der Privatwirtschaft“, sagt Lischka, umso mehr werde darauf geschaut, „dass die Mitarbeiter zufrieden sind“. Dennoch: Wie in anderen juristischen Berufen sei mit Überstunden und psychischer Belastung zu rechnen.

(Print-Ausgabe, 04.11.2017)

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