Wenn Insolvenzen ein gutes Zeichen sind

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„Insolvenzen sind ein Indiz dafür, dass die Konjunktur anspringt“, sagt KSV-1870-Vorstand Ricardo-José Vybiral – und rechnet heuer mit zahlreichen Fällen.

Die Pleiten des Autozubehörhändlers Forstinger und des Büromöbelherstellers Svoboda haben diese Woche aufhorchen lassen. In diesem Licht Insolvenzen als gutes Zeichen zu sehen – das könnte als zynisch verstanden werden. Schließlich geht es bei Firmenzusammenbrüchen immer um Existenzielles – im wahrsten Sinne des Wortes: für das Unternehmen, für Gläubiger und Mitarbeiter. Letztere sind meist am wenigsten gerüstet.

Und doch sagt Ricardo-José Vybiral, Vorstand des Kreditschutzverbands von 1870: „Insolvenzen können einen Hinweis darauf geben, dass es mit der Konjunktur nach oben geht.“ Die Erfahrung zeige, dass es gerade in Zeiten der Hochkonjunktur viele Insolvenzen gebe. Verzeichnete der KSV 1870 im Jahr 2017 die wenigsten Insolvenzen seit 20 Jahren, so könnte sich das Bild heuer ändern.

Wenig risikofreudig

Denn laut Vybiral hätten die niedrigen Zinsen das Bild zuletzt verzerrt. Steigen aber die Kapitalkosten, dann werde das weitere Insolvenzen auslösen. Trotz des Zinstiefs hätten Unternehmen in den vergangenen Jahren vergleichsweise wenig investiert, weil sie unsicher waren, ob die wirtschaftliche Lage stabil sei. „Die Betriebe haben ihre Infrastruktur und ihre Ressourcen intensiv genutzt – aber kaum ein Risiko auf sich genommen und geplante Investitionen aufgeschoben.“

„Investitionen sind ein Ausdruck der Risikofreude“, sagt Vybiral. Doch nicht jede Investition und jede Unternehmung zeitigen den erhofften Erfolg. Besonders überlegt sollten Unternehmen in den ersten drei Jahren nach ihrer Gründung vorgehen, denn das Insolvenzrisiko ist in dieser Zeit erhöht.

Jungen Unternehmen, aber nicht nur ihnen, rät Vybiral vor allem zu drei Dingen, um ihre Finanzen unter Kontrolle zu halten:

► Sie benötigen ein aktives Forderungsmanagement, daneben

► sollten sie sich ein möglichst umfassendes Bild ihrer Geschäftspartner machen – sowohl auf Lieferanten- als auch auf Kundenseite – und sie sollten ihre

Liquiditätsflüsse genau monitoren, um finanziell nicht in Schieflage zu geraten.

Halbe Milliarde Euro Schaden

Vybiral hatte schon vor einigen Wochen den Wunsch an die neue Bundesregierung gerichtet, das Insolvenzrecht anzupassen. „Es ist an der Zeit, alle Unternehmensinsolvenzfälle zu eröffnen“, sagte Vybiral. Im Vorjahr seien gut 2000 Fälle von rund 5000 abgewiesen worden, obwohl „zuweilen eine Sanierung möglich“ sei.

Die Forderung stützt der Gläubigerschützer auf langjährige Untersuchungen: Die Gerichte sollten nach Meinung des KSV künftig keine Insolvenzanträge mehr ablehnen dürfen. „Durch nicht eröffnete Insolvenzfälle entsteht jährlich ein Schaden von rund einer halben Milliarde Euro“, sagt Vybiral. Gäbe es keine Ablehnungen mehr, könnte durch „vermiedene Schäden und Kosten sowie durch Quotenrückflüsse an die Gläubiger“ ein finanzieller Nutzen von rund 80 Millionen Euro lukriert werden.

ZUR PERSON

Ricardo-José Vybiral (48) ist Vorstand des Kreditschutzverbandes von 1870, des größten Gläubigerschutzverbandes in Österreich mit rund 23.000 Mitgliedern. Davor war er mehr als zehn Jahre für das Werbe-, Marketing- und Beratungsunternehmen Wunderman in Deutschland tätig, sieben Jahre davon als CEO.

Von den 2017 rund 2000 abgewiesenen Pleitefällen entfallen 60 Prozent auf Einzelunternehmer, 40 Prozent auf Kapitalgesellschaften und Sonstige. Einerseits sind laut Vybiral mehr Sanierungen möglich, andererseits könnte auch Betrug vermieden werden. Einzelunternehmer könnten unter anderem eine rasche finanzielle Rehabilitation durch eine Entschuldung erreichen und schneller zurück ins Berufsleben finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2018)

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