Gehälter

Gebt den Bonus dem Entwickler

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Wenn nicht mehr Berater den Umsatz bringen, sondern Algorithmen – warum sollen dann nicht die Entwickler die Provision bekommen?

In den Zeiten vor der Finanzkrise schlug das Pendel kräftig auf die eine Seite aus. Man wollte motivieren, zu mutigen Abschlüssen und zu unternehmerischem Risiko anregen. Das steuerte man über die variablen Gehaltsbestandteile. Die waren richtig hoch. Wagnis sollte belohnt werden. Es konnte ja nichts passieren. Oder?

Heute beobachtet Alfred Berger, Head of Compensation Management bei der Managementberatung Kienbaum, das Gegenteil. Das Pendel schlug ins andere Extrem um. Das Geschäft in Banken und Versicherungen ist heute hoch reguliert (Berger nennt es einen „hochregulierten Wahnsinn“), Risiko wird keines mehr eingegangen, weshalb viel Geschäft verloren geht. Die Versicherungen leiden unter Solvency III, dessen Regulatorik aus der Bankbranche herüberschwappte. Immerhin, man agiert nun regelkonform und sauber in der Entscheidungsfindung. Bloß das unternehmerische Denken kam unter die Räder.

Folgerichtig gingen die variablen Gehaltsanteile bis auf wenige Rudimente (siehe Tabelle) zurück. Man könnte sie auch ganz herausnehmen, sinniert der Gehaltsexperte. Eine große Versicherung, deren Namen er nicht nennen will, setzte das bereits um. Wer braucht schon noch Provisionen?

Algorithmus schlägt Berater

Am Beispiel einer Bankfiliale: „Wenn jemand entscheidet, dass in Gramatneusiedl zwei Millionen Euro an Krediten herausgegeben werden sollen, braucht er für die Umsetzung keine Berater mehr. Das erledigen ein gut programmiertes Online-Marketing-Tool und ein paar wohlplatzierte Suchmaschineninserate. Sicher nicht mehr der Filialleiter in Gramatneusiedl.“ Das gelte für alle Spar- und Kreditprodukte, für den Bausparer genauso wie für die fondsgebundene Lebensversicherung.

In Banken und Versicherungen regiert der Algorithmus. Das Geschäft werde immer virtueller, Prozesse und Abläufe brächten die Kundschaft, der Berater wickle nur noch ab. Wozu, fragt Berger, brauche man dann noch die branchentypischen Bonussysteme? Oder, noch provokanter, warum lasse man sie nicht den Entwicklern angedeihen, deren versierter Arbeit die Abschlüsse doch zu verdanken sind? Warum sollten nicht sie die Provision bekommen?

Fehlbare Vorstandsvergütung

Auch im Vorstandsbereich hinterließ die Finanzkrise Spuren. Um kurzsichtige bonusgetriebene Entscheidungen zu unterbinden, zog man einen langfristigen Betrachtungszeitraum ein. Etwa, dass erst drei Jahre nach Zielerreichung Anspruch auf den Bonus besteht, beschreibt Berger: „Der wird über drei weitere Jahre ausbezahlt.“ Erreicht ein Vorstand also sein Ziel mit Ende 2018, wird sein Bonus erst Ende 2022 bis 2024 ausbezahlt. Der Vorstand erinnert sich dann kaum mehr an seinen Beitrag von 2018: „Das ist fern jeder Bonuslogik“, wettert Berger, „es sollten doch Motivation und Steuerung im Vordergrund stehen.“

Auch nach außen entstehe so leicht eine schiefe Optik. Ginge es dieser Bank 2024 etwa schlecht, wäre der – seinerzeit wohlverdiente – Vorstandsbonus in der Öffentlichkeit nur mehr schwer zu argumentieren. Und im schlimmsten Fall käme überhaupt erst die Vorstandswitwe in seinen Genuss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2018)

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