Länger arbeiten, dafür aber auch länger erholen

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Arbeitszeit. Die Chronobiologie untersucht die Folgen von zwölf Stunden Arbeit am Stück.

Als der walisische Unternehmer und Frühsozialist Robert Owen Anfang des 19. Jahrhunderts seine Formel „Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung“ formulierte, gab es noch kaum Forschung zum Thema Arbeitszeit. 200 Jahre und zahllose wissenschaftliche Untersuchungen später zeigt sich die Idee vom Tag mit acht Stunden Normalarbeitszeit auch als sachlich gut untermauert.

Denn, sagt Johannes Gärtner, „ab der neunten Arbeitsstunde steigt das Unfallrisiko.“ Das gelte jedenfalls für Arbeit unter mittlerer Belastung.

Arbeitszeit und Belastung

Gärtner befasst sich als langjähriges Vorstandsmitglied der Arbeitszeitgesellschaft und der Working Time Society sowie als Gründer des Software- und Beratungsunternehmen Ximes intensiv mit dem Thema (Arbeits-)Zeit.

Zur Einordnung: Ein Portier ist in aller Regel gering belastet, die Tätigkeiten an der Supermarktkasse oder in der Krankenpflege belasten mittel. Steigendes Unfallrisiko heißt aber nicht, dass Zwölf-Stunden-Arbeitstage punktuell unzumutbar wären. Sofern es sich um ein günstiges Umfeld handle: Anders gesagt, wenn es sich nicht um physisch belastende Tätigkeiten handle oder längere Arbeitszeiten nicht zu psychischem Druck etwa wegen mangelnder Kinderbetreuung führten.

Zwölf-Stunden-Tag

Es heißt aus chronobiologischer Hinsicht aber: Nach einem Zwölf-Stunden-Tag benötigt man drei freie Tage, um sich wieder von der Erschöpfung zu erholen. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie von Gerhard Blasche und Daniela Haluza am Zentrum für Public Health der Med-Uni Wien, durchgeführt in Pflegeheimen. Dabei kam auch heraus, dass es nach zehn Stunden einen klaren Leistungsabfall bei den Pflegekräften gebe. Die Empfehlung der Autoren (im Frühjahr 2017, also lang bevor die aktuelle Diskussion losbrach): Längere Arbeitstage und geblockte Arbeit seien nicht sinnvoll. Auch, weil durch längeres Arbeiten über einen längeren Zeitraum hinweg (kleine) Erkrankungen wie Verkühlungen zunehmen. Und: weil schlicht weniger Zeit zum Schlafen bleibe.

Zu wenig Schlaf ist generell ein Problem. Nicht nur erhöht Schlafdefizit das Unfallrisiko. Zudem hat es auch Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Derzeit wird gerade der Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Diabetes erforscht.

Tendenziell neigen Menschen in einer leistungsorientierten Gesellschaft eher dazu, sich zu verausgaben. Daher müssten Unternehmen darauf achten, dass Pausen einlegen werden.

Pausen, sagt Gärtner, könnten die Müdigkeit nur „dämpfen“, nicht gänzlich beseitigen. Und das auch nur, wenn sie mindestens zehn, 15 Minuten dauerten.

Schadstoffe: Fehlende Messung

Was in der laufenden Diskussion über die Anhebung der täglichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden bislang kaum Niederschlag fand: gesundheitliche Aspekte, die mit möglicherweise gefährlichen Stoffen am Arbeitsplatz einhergehen. Die zulässigen MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) für Gase, Dämpfe und Schwebstoffe in der (Atem-)Luft wurden für einen Acht-Stunden-Arbeitstag ermittelt. Wie sich die Belastung bei längeren Arbeitszeiten auswirkt, ist in vielen Fällen höchst unklar.

Gärtner bringt einen einleuchtenden Vergleich: Wer ein Messer zur Hand nehme und sich schneide, verstehe den Zusammenhang sehr rasch. Bei den Auswirkungen von längerer Arbeit (unter Umständen sogar unter Schadstoffexposition) sei das nicht so einfach nachzuvollziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2018)

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