Diversität ist kein Selbstläufer

Hohlrieder
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Walk & Talk. Moral oder Gewinnstreben: Beim „Talk auf der Alm“, zu dem die „Presse“ zum dritten Mal geladen hatte, ging es um die Motive der Unternehmen, sich divers aufzustellen.

Die Gruppe war bunt gemischt: Frauen und Männer, Ältere, Jüngere, Menschen aus verschiedensten Branchen, manche in Wanderkleidung und -schuhen, andere in eleganten Hosen und Ballerinas. Ein durchaus diverses Bild. Und eines, das zum „Talk auf der Alm“ passte, zu dem „Presse“-Geschäftsführer Rudolf Schwarz im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach geladen hatte. Nach einer morgendlichen Wanderung auf die Zirmalm und dem gemeinsamen Brunch ging es bei der Podiumsdiskussion um das Thema „Diversität: Moralische Selbstverpflichtung oder Mittel zur Gewinnmaximierung“.

Vor rund 60 Gästen sagte Heike Mensi-Klarbach, Professorin am Institut für Gender und Diversität in Organisationen an der WU Wien, Diversität sei gar nicht so leicht zu fassen. „Eine Person kann nicht divers sein. Ich brauche immer eine Gruppe, in der ich einen Vergleich anstellen kann.“

"Diversität passiert nicht einfach so von selbst"

Diskriminierung würde jedenfalls Diversität verhindern: Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, Behinderung oder sexuelle Ausrichtung. „Wir sind darauf gepolt, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die uns ähnlich sind“, sagte sie. Wir Menschen hätten eine Tendenz Richtung Homogenität. „Diversität“, sagte sie, „passiert nicht einfach so von selbst.“

Dabei bringen Menschen, die anders sind, einen Mehrwert in Unternehmen, sagte Martin Essl, Gründer der Essl Foundation, der mit dem „Zero Project“ Menschen mit Behinderung besser in die Arbeitswelt integrieren will.

„Wir leisten uns den ,Luxus‘, die größte Minderheit der Welt, eine Milliarde Menschen mit Behinderung, also jeden siebenten Menschen, per se auszuscheiden und ihnen eine Beschäftigung nicht zuzutrauen.“ So können sich Autisten etwa viel länger und besser konzentrieren, was in der Softwareentwicklung gefragt sei. Essl erzählte auch von einem Logistik-Unternehmen in den USA, das an einem seiner 25 Standorte mehr als die Hälfte Menschen mit Behinderung einstellte: Am Ende war das der profitabelste Standort von allen, weil dort Prozesse vereinfacht wurden und Talente der Menschen besser zu ihren Positionen passten. „Es geht darum, den Fit zwischen Bedürfnissen des Unternehmens und den Talenten eines Menschen zu finden“, sagt Essl auf die Frage von Moderator Michael Köttritsch („Die Presse“) – und das habe mit sozialromantischen Vorstellungen von Diversität nichts zu tun.

Trend zum „more of the same“

Diversität sei wirtschaftlich getrieben, darüber gebe es gar keine Diskussion, sagt Michael Hilbert, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger in Wien, wo neue Mitarbeiter durch einen sehr engen, leistungsorientierten Rekrutierungsprozess laufen – dadurch sei auch das Profil der neuen Mitarbeiter sehr ähnlich.

Weltweit gebe es unter den rund 200 Roland-Berger-Partnern allerdings nur drei Frauen. „Wir wissen das und wir wollen das ändern“, sagt Hilbert. Denn die Anforderungen durch die Digitalisierung und die Erwartungen der Kunden würden letztlich nach diversen und nicht nur international aufgestellten Teams verlangen.

Warum suchen wir uns in der Arbeitswelt überhaupt Menschen, die uns selbst ähnlich sind? Diversitäts-Expertin Mensi-Klarbach argumentiert es mit dem Wunsch, unsere eigene Persönlichkeit und unsere Arbeit zu legitimieren. „Die große Herausforderung ist, das zu durchbrechen, ohne die Leistung herunterzuschrauben.“

Das wäre vor zehn Jahren vielleicht sogar einfacher gewesen als heute, sagte Oliver Suchocki (Suchocki Executive Search) der seit mehr als 20 Jahren als Headhunter tätig ist. Damals habe es eher genügt, 80 Prozent des Anforderungsprofils zu erfüllen. „Heute scheuen Manager das Risiko, jemanden zu engagieren, der das Anforderungsprofil nicht zu 100 Prozent erfüllt.“

Unternehmen würden sich etwa Leiterinnen oder Technikerinnen wünschen, doch es gebe nicht genug Frauen auf dem Arbeitsmarkt mit genau der gewünschten spezifischen, mehrjährigen Erfahrung in technischen Bereichen, der Produktion oder auch im Vertrieb.

Jungen, weißen Männern traue man diese Aufgaben trotzdem zu, warf Mensi-Klarbach ein. Jungen Frauen nicht. Dazu gebe es Studien. Deswegen seien Frauenquoten „eine Krücke, aber ohne sie ändert sich nichts“.

Hilbert sieht auch, dass angesichts der Digitalisierung „strategische Personalplanung für Fähigkeiten, die in fünf Jahren gebraucht werden, in den Unternehmen nicht passiert.“ Dabei seien sie gefordert, Mitarbeiter für künftige Aufgaben selbst auszubilden.

Anstrengend, aber lohnend

Claudia Kernstock, Personalchefin bei Thales Austria, das sich auf die Sicherung kritischer Infrastrukturen spezialisiert hat, argumentierte, sie habe jetzt schon Probleme, Fachkräfte zu finden, weswegen ihr Unternehmen breiter rekrutiert – etwa unter Flüchtlingen oder Menschen mit Behinderung. Eine Form von Diversität, die sich jedenfalls auszahle. Sie habe immer wieder in heterogenen Teams gearbeitet. „Das kann superanstrengend sein. Doch die Resultate, die diese Teams gebracht haben, waren immer deutlich besser.“

Letztlich, so eine der Erkenntnisse der Diskussion, müsse man sich fragen: Was kostet mich die Homogenität?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2018)

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