Organisation. Unternehmensjuristen wie Anwälte haben ein gewisses Faible für Legal Tech. Einer Sache sind sie sich dennoch bewusst: Sie dürfen ihre Kommunikationsskills nicht vernachlässigen.
Die österreichischen Unternehmensjuristen sind sich sicher: 65 Prozent schätzen den Einfluss der Digitalisierung auf ihr Tätigkeitsfeld stark bis äußerst stark ein. Gleichzeitig aber verfügen rund 86 Prozent der Rechtsabteilungen in den Unternehmen noch über keine Digitalisierungsstrategie, brachte eine Studie der Plattform Future-Law zutage. Oder, wie es die Gründerin der Plattform, Sophie Martinetz, formuliert: „Die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben.“ Insgesamt sehen mehr als 90 Prozent die Digitalisierung als Chance, nicht als Bedrohung für die Rechtsabteilung. „Das ist einmal ein guter Anfang“, sagt Martinez.
Entsprechend erhoffen sich die Unternehmensjuristen viel von neuen Technologien: Effizienzsteigerung, Zeitersparnis, Vereinfachung der Arbeitsabläufe und Qualitätssteigerung. Denn, sagt Martinetz, derzeit ist die Herausforderung nicht der Abbau von Arbeitsplätzen, sondern „immer mehr Aufgaben mit demselben Personalstand zu bewältigen“.
Mehr als 80 Prozent der Befragten können sich vorstellen, künftig einen digitalen Assistenten für die Recherche einzusetzen, ebenso einen unternehmensinternen Chat, digitale Assistenten auf der Unternehmenswebsite (also einen Chatbot für Kundenanfragen) oder Workflow-Tools.
Industriestandards fehlen
Aktuell kaum benutzt werden noch E-Billing, Legal Marketplaces (etwa Tools zur Onlinevergabe von Aufträgen), Analyse von Dokumenten, Spracherkennungstools, Verlinkung zu passenden Gesetzestexten und Entscheidungen, Workflow- oder Collaboration Management Tools. Artificial Intelligence Tools zur Analyse und Aufbereitung von großen Datenmengen bei Transaktionen etwas bei Due Dilligence werden eher von Rechtsanwälten bezogen. 13 Prozent ihres Budgets planen die Rechtsabteilungen für die Digitalisierungsstrategie und beinahe ebenso viel für die Eigenentwicklung von Legal-Tech-Tools ein. In dieser Hinsicht beschäftigen die Juristen zwei große Probleme, sagt Martinetz: Erstens, wie sich die einzelnen Tools kombinieren lassen. Und zweitens: Es gibt für Legal Tech aktuell keine Industriestandards.
Übrigens: Keine Chance ohne Risiko. Die größte Gefahr durch die Digitalisierung sehen die Juristen in der Fehleinschätzung von Rechtsfragen durch automatisierte Prozesse.
Anwälte müssen Übersetzer bleiben
Die Digitalisierung erfasst auch die Zusammenarbeit der Unternehmensjuristen mit den Anwälten. Wichtig erscheinen zügige und kosteneffiziente Bearbeitung, kurze Reaktionszeiten, die Expertise, lösungsorientiertes Agieren und die Digitalisierung von Prozessen.
Das sehen die Anwälte ähnlich. Bei einer Diskussion an der Universität Wien im Vorfeld der Karrieremesse Jussuccess 2018 waren sich Stefan Artner (Dorda), Wolfgang Bogensberger (EU-Vertretung in Wien), Lukas Feiler (Baker McKenzie), Konrad Gröller (Freshfields Bruckhaus Deringer) und Raoul Hoffer (Binder Grösswang) unter anderem auch darüber einig, dass Kommunikationsskills über Erfolg und Misserfolg entscheiden – Übersetzungsleistungen in Richtung der Klienten genauso wie der Mitarbeitern. Und der technischen Hilfsmittel.
Trotzdem: Bei aller Begeisterung für die Digitalisierung und der Innovationskraft, die von Legal Tech ausgeht, warnten die Juristen bei der Diskussion davor, Ablauf-, Prozess- und Organisationsinnovationen über die Faszination für die Technologie aus den Augen zu verlieren.Vorfelddiskussion, 22 Oktober 2018, Universität Wien
Juristen-Karrieremesse jussuccess, 30. Oktober, Juridicum Wien
Legal-Tech-Konferenz (7. November) in Wien: legaltech.future-law.at