Psychologie

Wie man lernt, falsche Entscheidungen zu treffen

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Eine falsche Entscheidung kann Reue auslösen. Doch die Karriereberaterin beruhigt: Die eine richtige Entscheidung gibt es nicht.

Das Gefühl, etwas zu bereuen, kann mitunter quälend sein. Ob bei der Wahl der eigenen Ausbildung, im Familienumfeld oder in der Partnerschaft: Entscheidungen, die hinterher negativ beurteilt werden, wiegen schwer. Auch in der eigenen Karriereplanung gibt es immer wieder Situationen, die klare Positionierung verlangen. Die Angst, sich dabei falsch zu entscheiden, kann lähmend wirken und den Entscheidungsprozess verzögern. Ein unbefriedigendes Verharren im Status quo ist dann meist die Folge.

Die Angst scheint unbegründet. „Es kann hilfreich sein, sich die eigene Befindlichkeit und den eigenen geistigen Horizont zum Zeitpunkt des bereuten Geschehnisses zu vergegenwärtigen", sagt Karrierecoach Sonja Rieder. Die Wiener Psychlogin berät Kunden an der Schnittstelle zwischen Mensch und Arbeit. Genau dort, wo oft jene Entscheidungen getroffen werden müssen, die hohes Reuepotenzial in sich tragen. „Sich zu fragen, wie war das damals eigentlich? Wie ist es mir damals insgesamt gegangen, wie hab ich mich gefühlt? hilft oft schon dabei, sich von der Reue nicht umhauen zu lassen."

Reue als Entwicklungsmotor

Die eine richtige Entscheidung gebe es ohnehin nicht, die Reue als Emotion sei psychologisch zudem mittlerweile positiv beurteilt. Die aktuelle Forschung zeigt: Reue bringt uns im Leben weiter. Rieder: „Sie ist ein sehr starker Entwicklungsmotor, vor allem dann, wenn sie intensiv empfunden wird. Das kann dazu führen, dass man große Bereiche im Leben noch einmal umkrempelt." Ohne die tiefe Emotion, die das Bereuen in uns auslöse, würde ein solcher Umbruch nicht stattfinden.

Oft zeigt die eigene Erfahrung, wie viel aus falschen Entscheidungen zu lernen ist. Uns selbst und auch unsere Fähigkeiten können wir dabei weiterentwickeln. Der Umgang mit der Enttäuschung, dem Gefühl des Versagens und der Niederlage sei jedoch typabhängig und sehr unterschiedlich. „Wer mehr grübelt, zerpflückt Dinge vielleicht mehr", sagt die Psychologin. Das sei per se jedoch nicht negativ: „Im Nachhinein ist man immer g'scheiter sagt ja auch der Volksmund. Viele Situationen würden wir anders lösen, wenn wir im Vorhinein die Infos hätten, die oft erst im Nachhinein zur Verfügung stehen. Das darf man sich ex post aber nicht vorwerfen."

„Wir sind auch das, wogegen wir uns entschieden haben"

Wie kann man selbst daran arbeiten, falsche Entscheidungen und Niederlagen zu akzeptieren? „Niederlagen machen uns zu ,ganzen' Menschen, denn das Leben besteht nicht nur aus Siegen", sagt Rieder. Wer schwierige Phasen durchwandert habe, könne zu mehr menschlicher Tiefe finden und Strategien entwickeln, künftige Herausforderungen besser zu bewältigen. Als Individuen hätten wir im eigenen Leben auch die Bewertungshoheit, manche Situationen als Niederlage zu sehen, andere nicht. „Es ist eine Frage der Sichtweise."

Wichtig sei es, sich selbst gut einschätzen zu können, denn das ermögliche „eine Lebens- und Berufsführung, in der überlange Phasen von Über- und Unterforderung weitgehend vermieden werden." Das Verfehlen von eigenen Zielen und Ansprüchen könne dann als äußeres Korrektiv gesehen werden. „Man hat sich eben etwas vorgenommen, was nicht möglich war."

Der Gedanke des britischen Psychoanalytikers Adam Phillips spendet Rieder zufolge zusätzlichen Trost. Denn alles, was wir uns wünschen und was sich möglicherweise nicht erfülle, gehöre genauso zu uns wie das, was der Realität entspreche. „Wir führen eine Art Doppelleben. Wir sind auch immer das, wofür wir uns nicht entschieden haben."

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