Erfinde dir deinen Beruf selbst

Junge Entrepreneure. Es heißt, dass Studenten der geistes-, natur- und sozialwissenschaftlichen Fächer nicht gerade mit Gründerspirit gesegnet sind. Es gibt Ausnahmen.

Gründungsprogramm

In den vergangenen Jahren sorgten Plagiatsaffären immer wieder für negative Schlagzeilen. Natascha Miljković nutzte die Gelegenheit und gründete die Wissenschaftsberatung und Plagiatsprüfung Zitier-Weise. Die Biologin ist eine der wenigen Naturwissenschaftlerinnen, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben. Geistes-, natur- und sozialwissenschaftliche Disziplinen gelten als Orchideenfächer im Hinblick auf eine spätere Gründertätigkeit.

Miljković hinderte das nicht: „Es gibt kein Studium, das zur Selbstständigkeit führt. Als Gründer erfindet man sich seinen Beruf oft selbst.“ In der gesellschaftlichen Vorstellung ist Unternehmertum eher bei Betriebswirten und Informatikern verankert. „Vielen anderen fehlt das Selbstbewusstsein, nach dem Studium zum Unternehmer zu werden.“

Gründerflaute

Wie viel Prozent der Studienabsolventen sich österreichweit selbstständig machen, ist nicht bekannt. An der Universität Wien aber, die derartige Zahlen bereits erhoben hat, liegt der Anteil bei niedrigen 3,4 Prozent. Dass die Studienwahl große Auswirkungen auf eine (mögliche) spätere Selbstständigkeit hat, beweist die Detailauswertung: 4,1 Prozent aller Studenten der Naturwissenschaften, 4,0 Prozent in den Sozialwissenschaften und 0,8 Prozent der Lehramtsstudenten machen sich nach ihrem Abschluss selbstständig.

Auch Biologin Miljković hat ihr Studium nicht beim Schritt in die Selbstständigkeit geholfen – höchstens, dass sie dadurch mit wissenschaftlichen Arbeiten in Berührung gekommen ist. Die 34-Jährige ist Absolventin des U:start-Programms (siehe Infokasten).

Fehlende BWL-Kenntnisse


Die Initiative des Alumniverbandes der Universität Wien richtet sich an Absolventen aller österreichischen Universitäten und Fachhochschulen, denen wenige bis gar keine betriebswirtschaftliche Kenntnisse vermittelt wurden. „Unternehmerisches Handwerk kann man erlernen. Für uns ist die Gründungsidee wichtig – und vor allem die Person, die diese Idee trägt“, sagt Maria Steindl-Köck, Projektleiterin des Programms.

Im vergangenen Jahr waren nach Steindl-Köcks Aufzeichnungen etwa 90 Prozent der Teilnehmer Absolventen, die so gut wie gar nicht auf eine unternehmerische Tätigkeit vorbereitet wurden. Dieses Jahr stammen sogar nahezu alle aus solchen Studienrichtungen. „Die beiden jüngsten Anmeldungen, die ich auf meinen Schreibtisch bekommen habe, stammen von einer Kultur- und Sozialanthropologin und von einem Politikwissenschaft- und Französisch-Studenten.“

Eine aktuelle Guess-Studie belegt jedoch, dass sich 60 Prozent aller akademischen Gründer die Inspiration für ihre Geschäftsidee aus dem eigenen Studium holen. Firmengründung ist aber in jedem Fall Schwerstarbeit. Es gilt, einen Businessplan zu erstellen, die Position auf dem Markt auszuloten, mögliche Konkurrenz zu eruieren und auch viele Rückschläge zu verkraften. Diese Entbehrungen müssen die meisten Firmengründer auf sich nehmen – und darauf kann kein Studium hundertprozentig vorbereiten.

U:start, eine Initiative des Alumniverbandes der Universität Wien, ist das Nachfolgeprogramm des zusammen mit der TU Wien gestalteten Projekts Uniun. Das Programm richtet sich grundsätzlich an alle Absolventen einer österreichischen Universität oder Fachhochschule, die sich selbstständig machen wollen.
Die Bewerbungsfrist endet am 24. Juni. Anfang Juli können sich Gründungsinteressierte darüber klar werden, ob die Selbstständigkeit für sie eine Alternative ist. Ab September beginnen dann 30 Teilnehmer mit einem zusammenhängenden Programm, bestehend aus Mentoring, Ausbildung, Businessplan-Erstellung sowie Vernetzung. Den Abschluss bildet im Mai 2014 ein Wettbewerb, bei dem die Sieger eine Büroausstattung im Wert von 5000 Euro gewinnen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2013)

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