Folge 21. Anna M. ist überzeugt davon, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ihrer psychischen Erkrankung aufgelöst wurde.
Anna M. begründet mit der X GmbH ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit. Vereinbart wird eine Probezeit von einem Monat. Innerhalb dieser Probezeit erklärt die X GmbH gegenüber Anna M. die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Anna M. ist überzeugt davon, dass das Arbeitsverhältnis ausschließlich aufgrund ihrer psychischen Erkrankung aufgelöst worden ist.
Drohen der X GmbH Konsequenzen?
Um dem Arbeitgeber eine nähere Prüfung der fachlichen Eignung des Arbeitnehmers zu ermöglichen, wird in der Praxis häufig ein sogenanntes Arbeitsverhältnis auf Probe begründet. Die Besonderheit besteht hier darin, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber dieses während der Probezeit ohne Bindung an Termine und Fristen lösen können. Ausgenommen der 3-monatigen Probezeit für Lehrlinge sowie kollektivvertraglich vorgeschriebener (kürzerer) Probezeiten kann die Probezeit maximal einen Monat betragen.
Die früher vertretene Auffassung, dass ein Probearbeitsverhältnis von jedem der beiden Vertragspartner ohne Vorliegen von bestimmten Gründen jederzeit uneingeschränkt lösbar ist, wurde in den letzten Jahren entscheidend revidiert.
Vorliegen eines Diskriminierungstatbestandes nach dem GlBG
Mit der Novelle zum GlBG (BGBl I 2008/98) wurde entsprechend der Rechtsprechung des OGH gesetzgeberisch klargestellt, dass von einer sachgrundlosen Lösungsmöglichkeit eines Probearbeitsverhältnisses bei Vorliegen von Diskriminierungstatbeständen des GlBG nicht mehr ausgegangen werden kann.
Sofern der Arbeitnehmer glaubhaft macht, dass die Auflösung seitens des Arbeitgebers aufgrund des Vorliegens eines verpönten Differenzierungsmerkmals nach dem GlBG, sohin diskriminierend erfolgt ist, berechtigt dies den Arbeitnehmer nunmehr zur Anfechtung der Auflösung nach § 12 Abs 7 und § 26 Abs 7 GlBG, mit der Wirkung auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Als Differenzierungsmerkmale werden insbesondere das Geschlecht (darunter fällt auch die Auflösung aufgrund der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin), die Religion oder Weltanschauung, das Alter, die sexuelle Orientierung und die ethnische Zugehörigkeit angesehen.
Eine – wie im konkreten Fall vorliegende – (psychische) Krankheit fällt jedoch nicht unter einen Differenzierungstatbestand nach dem GlBG und berechtigt daher auch nicht zur Anfechtung nach § 12 Abs 7 und § 26 Abs 7 GlBG.
Vorliegen einer Behinderung nach dem BEinstG
Neben den verpönten Differenzierungsmerkmalen nach dem GlBG kann die Auflösung des Probearbeitsverhältnisses aufgrund einer Behinderung den Arbeitnehmer zur Anfechtung nach § 7f Abs 1 BEinstG berechtigten (vgl. OGH 29.9.2015, 8 ObA, 62/15 y).
Unter den Begriff der „Behinderung“ fallen heilbare und unheilbare Krankheiten, wenn sie eine Einschränkung mit sich bringen, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben hindern können, sofern diese Einschränkung von langer Dauer ist. Darunter fallen beispielsweise bereits Kreuzschmerzen und schwere Adipositas.
Eine solche Anfechtung ist nicht nur bei einem begünstigten Behinderten, sondern auch bei einer festgestellten Behinderung von unter 50 % oder einer sonst tatsächlich bestehenden Behinderung iSd § 3 BEinstG möglich.
Zusätzlich zu den obig genannten Voraussetzungen verlangt § 7k Abs 1 BEinstG, dass der diskriminierte Arbeitnehmer vor der Anfechtung bei den Arbeits- und Sozialgerichten zwingend ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren bei der jeweiligen Landesstelle des Sozialministeriumservice einzuleiten hat.
Sofern Anna M. im konkreten Fall glaubhaft machen kann, dass ihre psychische Krankheit sie an der Teilhabe am Arbeitsleben beeinträchtigt und mit einer länger dauernden Funktionseinschränkung verbunden ist, könnte sie sohin die Auflösung des Probearbeitsverhältnisses nach § 7f Abs 1 BEinstG anfechten und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einfordern.
Doris Braun ist seit 2000 Partnerin und geschäftsführende Gesellschafterin bei der Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind Arbeits- und Sozialrecht sowie Streitführung.
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