Folge 25. Nach der Firmenweihnachtsfeier sucht Tibor M., der Leiter der Lohnverrechnung, mit seinem Team ein Lokal auf, in dem ein Joint „die Runde macht“. Auch Tibor M. macht ein paar Züge. Am nächsten Tag verpetzt ihn einer seiner Mitarbeiter beim Chef. Dieser überlegt Tibor M. zu entlassen.
Für Angestellte ist der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit bereits verwirklicht, wenn sie sich einer Handlung schuldig machen, die sie des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig macht. Für Arbeiter setzt dieser Entlassungsgrund darüber hinaus voraus, dass sich der Arbeiter einer strafbaren Handlung schuldig macht. Tibor M. ist als Leiter der Lohnverrechnung Angestellter.
Außerdienstliches Verhalten ist grundsätzlich Privatsache des Angestellten. Der Arbeitgeber kommt aber ins Spiel, wenn zwischen dem außerdienstlichen Verhalten des Angestellten und seiner dienstlichen Position ein Zusammenhang besteht, sodass sich das außerdienstliche Verhalten auf das Arbeitsverhältnis auswirken kann. Wenn es um eine Entlassung des Angestellten geht, wird vor allem zu klären sein, ob sich der Angestellte des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig gemacht hat. Dabei kommt es nicht auf das subjektive Empfinden des Arbeitgebers an, sondern darauf, ob objektiv die Befürchtung gerechtfertigt ist, dass die Belange des Arbeitgebers durch das Verhalten des Angestellten gefährdet sind.
Unterschiedliche Maßstäbe je nach Situation
Die Vertrauensverwirkung kann auch auf einer Handlung des Angestellten beruhen, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht. An das außerdienstliche Verhalten ist kein so strenger Maßstab anzulegen, wie an das Verhalten im Dienst. Ob das Verhalten das Vertrauen des Arbeitgebers zu beeinflussen vermag, hängt aber auch von der dienstlichen Stellung des Angestellten ab. Fehlt es, wie zB bei Außendienstmitarbeitern, an Kontrollmöglichkeiten oder nimmt der Angestellte eine leitende Stellung ein, ist ein strengerer Maßstab anzulegen.
Für den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit reicht fahrlässiges Handeln. Ein Schaden muss dem Arbeitgeber nicht entstanden sein. Es reicht die berechtigte Befürchtung der Gefährdung der Belange des Arbeitgebers durch den Angestellten. Darüber hinaus muss das Verhalten des Angestellten das Vertrauen des Arbeitgebers so schwer erschüttert haben, dass diesem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
Vergleich zu verwandten Fällen
Die Frage, ob ein außerdienstliches Verhalten eine Entlassung rechtfertigt, stellt sich auch in anderen Zusammenhängen: Auch bei einer Ehrenbeleidigung im privaten Umfeld kann ein Bezug zur dienstlichen Stellung bestehen. Eine Alkoholisierung außerhalb des Dienstes kann sich ebenfalls auf die Arbeit auswirken. Eine geringfügige, ansonsten folgenlose Überschreitung des Alkoholgrenzwertes ist bei einem langjährig unbeanstandet beschäftigten Kraftfahrer noch kein Entlassungsgrund. Nimmt hingegen ein Angestellter als Wiederholungstäter in alkoholisiertem Zustand einen PKW in Betrieb, tötet eine Fußgängerin und begeht danach Fahrerflucht, ist die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit berechtigt.
Der Missbrauch von Suchtgift unterscheidet sich vom Alkoholmissbrauch schon dadurch, dass der Besitz von Suchtmitteln gesetzlich verboten ist. Die Spekulation, ob Cannabiskonsum breite soziale Akzeptanz gefunden habe, ist angesichts der im Verbot zum Ausdruck kommenden Wertung durch den Gesetzgeber rechtlich ohne Relevanz. Wirkt sich der Suchtgiftmissbrauch auf die Arbeit aus, kann die Entlassung gerechtfertigt sein. Das war der Fall bei einem Krankenpfleger in einer Anstalt, in der drogenabhängige Patienten behandelt wurden. Auch die Entlassung eines Angestellten war berechtigt, der sich zu einem unterstellten Mitarbeiter durch gemeinsamen außerdienstlichen Cannabiskonsum in ein Abhängigkeitsverhältnis begeben hatte.
Worauf es in unserem Fall ankommt
Im Fall von Tibor M. wird es daher darauf ankommen, ob er als Leiter der Lohnverrechnung eine besondere Vertrauensposition genoss, ob er gegenüber den unterstellten Mitarbeitern an Autorität verloren hat und erpressbar wurde, und ob letztlich die Befürchtung berechtigt ist, er werde durch diese Situation hervorgerufene Interessenskonflikte zu Lasten des Arbeitgebers lösen. Ist dies zu bejahen, kann der Arbeitgeber Tibor M. entlassen.
Kurt Wratzfeld ist Partner bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung in den Bereichen Arbeitsrecht, Prozessführung, Betriebspensionsrecht und allgemeines Zivilrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikationen.