Folge 32. Michael S. ruft während der Arbeitszeit immer wieder seine Profile in verschiedenen sozialen Netzwerken auf, tauscht Nachrichten aus, ergänzt seine Profile und kommentiert, was andere Nutzer auf ihren Profilen veröffentlicht haben. Die Vorgesetzte will Michael S. dies verbieten.
Den Arbeitnehmer trifft als Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis die Pflicht zur Arbeit. Er muss dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft während der Arbeitszeit uneingeschränkt zur Verfügung stellen. Der Arbeitgeber kann die Arbeitspflicht im Rahmen des Arbeitsvertrages und durch Weisungen konkretisieren. Verstößt ein Arbeitnehmer gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, kann ihn der Arbeitgeber entlassen. Allerdings berechtigt nicht jede Ordnungswidrigkeit den Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. Die Weigerung des Arbeitnehmers muss beharrlich sein, was in der Regel voraussetzt, dass er vorher wegen eines gleichartigen Verstoßes verwarnt wurde. Der Arbeitnehmer muss auf den Ernst der Lage aufmerksam gemacht werden. Nur wenn die Pflichtverletzung so eindeutig und gravierend ist, dass eine Verwarnung als überflüssige Formalität erscheinen muss, kann der Arbeitnehmer ohne vorherige Erinnerung an die Dienstpflicht entlassen werden.
Es geht also vor allem darum, dass der Arbeitgeber (auch) in Bezug auf soziale Netzwerke klarstellt, in wie weit er bereit ist, deren Nutzung in der Arbeitszeit zu dulden. Aus der Zeit, als Mobiltelefone wenig verbreitet waren, gibt es Judikatur, der zufolge es nicht unüblich ist, dass Arbeitnehmer in geringem Umfang Privatgespräche mit oder ohne Kostenersatz vom Arbeitsplatz aus führen. Daraus folgerten die Gerichte, dass ein Arbeitgeber, der verhindern wolle, mit den Kosten von privaten Telefongespräche belastet zu werden, verhalten sei, entweder Privatgespräche überhaupt zu verbieten, umfänglich einzuschränken oder nach vorgeschriebenen Aufzeichnungen zu verrechnen. Wesentlich ist dabei, dass die private Nutzung nur in geringem Umfang anfällt. Privatgespräche, die über einen geringen Umfang hinausgehen, waren auch nach dieser Ansicht unüblich und nicht erlaubt. Diese Grundsätze lassen sich übertragen. Auch die zeitlich kurze private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit wird für erlaubt gehalten, wenn es die Arbeit nicht beeinträchtigt, die Ressourcen des Arbeitgebers nicht in störender Weise belastet, dabei keine Sicherheitsrisiken geschaffen und keine widerrechtlichen Handlungen unterstützt werden.
Ein Verhalten während der Arbeitszeit, das dieses Ausmaß überschreitet, verletzt hingegen die dienstlichen Pflichten. In einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer das Diensthandy in nicht geringem Umfang privat nutze, obwohl der Dienstvertrag ein Verbot enthielt, das beim Vertragsabschluss mit dem Arbeitnehmer besprochen und er vom Arbeitgeber bereits verwarnt worden war, war die Entlassung rechtens. Auch wer an seinem Arbeitsplatz regelmäßig mindestens eineinhalb Stunden täglich mit privatem Internetsurfen und dem Download umfangreicher Film- und Musikdateien verbringt, macht sich vertrauensunwürdig.
Selbst wenn ein Arbeitgeber private Telefongespräche während der Arbeitszeit verboten hat, verletzt nicht jede Kontaktaufnahme die dienstlichen Pflichten des Arbeitnehmers. Es gibt Situationen, in denen die Arbeitspflicht mit anderen Pflichten des Arbeitnehmers kollidiert. Sind diese höherwertig und unvorhersehbar, ist der Arbeitnehmer rechtmäßig daran gehindert, seiner Arbeitspflicht nachzukommen. Zu denken ist hier etwa die Verständigung eines Elternteils von der Notwendigkeit, sein Kind von der Schule abzuholen, weil es erkrankt ist.
Während Fälle, in denen eine private telefonische Kontaktaufnahme während der Arbeitszeit notwendig ist, relativ leicht vorstellbar sind, ist hingegen eine vergleichbare Rechtfertigung, für die Verfolgung der Aktivitäten Anderer in sozialen Netzwerken oder für eigene Aktivitäten während der Arbeitszeit kaum zu finden. Es ist evident, dass das fortlaufende Surfen in sozialen Netzwerken die Arbeitspflicht verletzt, auch wenn der Arbeitgeber dies nicht ausdrücklich verboten hat. Die Vorgesetzte von Markus S. kann als Vertreterin des Arbeitgebers aber auch ausdrücklich untersagen, dass Markus S. während der Arbeitszeit seine Accounts nur für kurze Zeit einsieht. Ist auch das kurzzeitige Surfen im sozialen Netzwerk während der Arbeitszeit verboten, so muss sich Markus S. daran halten. Wenn er trotz Abmahnung dem Verbot zuwiderhandelt, riskiert er seine Entlassung.
Kurt Wratzfeld ist Partner bei derFellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung in den Bereichen Arbeitsrecht, Prozessführung, Betriebspensionsrecht und allgemeines Zivilrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikationen