Crashkurs Arbeitsrecht: Rauchpausen am Arbeitsplatz

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Folge 62. Anna S. arbeitet als Sekretärin in einem Büro. Als Raucherin macht sie, wie viele ihrer Kollegen, zusätzlich zu den Ruhepausen jeweils eine Rauchpause am Vor- und Nachmittag. Der Arbeitgeber hat das nie beanstandet. Eines Tages fordert er Anna S. auf, die Rauchpausen ab sofort zu unterlassen. Sonst werde er ihr Entgelt schmälern.

Jedem Arbeitnehmer stehen die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Ruhepausen zu. Beträgt die Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden, so ist die Arbeitszeit durch eine Pause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen. Anstelle einer halbstündigen Pause können auch zwei Pausen von je einer Viertelstunde oder drei Pausen von je zehn Minuten gewährt werden. Eine andere Teilung kann durch Betriebsvereinbarung festgelegt oder durch das Arbeitsinspektorat zugelassen werden.

Der Arbeitgeber kann auch eine längere Ruhepause gewähren. Ruhepausen fallen nicht in die Arbeitszeit und sind nicht zu entlohnen. Einen Vorteil haben in diesem Zusammenhang Arbeitnehmer, die Bildschirmarbeit verrichten. Nach jeweils 50 Minuten ununterbrochener Bildschirmarbeit muss nämlich entweder eine Pause von mindestens zehn Minuten, die in die Arbeitszeit eingerechnet wird, oder ein Tätigkeitswechsel im Ausmaß von mindestens zehn Minuten erfolgen. Bildschirmarbeit liegt dann vor, wenn Arbeitnehmer durchschnittlich mehr als zwei Stunden ihrer Tagesarbeitszeit ununterbrochen oder mehr als drei Stunden ihrer Tagesarbeitszeit mit Unterbrechungen an Bildschirmen arbeiten.

Außerhalb der gesetzlichen Ruhepausen muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Arbeitsleistung zur Verfügung stehen. Kurze Unterbrechungen der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit wie zum Beispiel Trinken oder der Gang zur Toilette sind vom Arbeitgeber zu dulden. Die Abhaltung von Rauchpausen gehört jedoch nicht dazu. Arbeitgeber oder Arbeitnehmer können die Häufigkeit und Dauer von Rauchpausen jedoch im Dienstvertrag festlegen. Auch Betriebsrat und Arbeitgeber können eine entsprechende Regelung vereinbaren. Der Arbeitgeber hat auch die Möglichkeit, den Mitarbeitern das Abhalten von Rauchpausen einseitig zu gestatten. Dabei sollte aber in jedem Fall klargestellt werden, ob diese Rauchpausen in die Arbeitszeit eingerechnet werden oder nicht. Mit dem Arbeitgeber kann auch vereinbart werden, die konsumierten Rauchpausen einzuarbeiten.

Anspruch auf Rauchpausen

Ein Anspruch auf eine Rauchpause könnte jedoch dann bestehen, wenn diese als betriebliche Übung vom Arbeitgeber geduldet wurden. Dies kommt allerdings immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Von einer „betrieblichen Übung“ spricht man, wenn bestimmte Leistungen des Arbeitgebers ohne Verpflichtung wiederholt an mehrere oder alle Arbeitnehmer des Betriebes getätigt werden.

Der Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf wiederholtes Erbringen der Leistung erwerben, wenn er berechtigterweise davon ausgehen darf, dass der Arbeitgeber bereit ist, auch in Zukunft zu leisten. Die regelmäßige Leistungserbringung ohne Vorbehalt ist als ein stillschweigendes Angebot auf Arbeitsvertragsergänzung zu verstehen, welches der Arbeitnehmer wiederum schlüssig annimmt.

Ab wann von einer regelmäßig wiederkehrenden Leistung auszugehen ist und dem Arbeitgeber somit ein Wille zur Änderung des Arbeitsvertrages unterstellt werden kann, ist von den jeweiligen Umständen abhängig. Wenn der Arbeitgeber daher bislang die Rauchpausen akzeptiert und nie aus der Arbeitszeit herausgerechnet hat, haben die Arbeitnehmer unter Umständen einen Rechtsanspruch darauf erworben. Der Arbeitgeber kann diesen Anspruch dann nicht mehr einseitig rückgängig machen.

Das Abhalten von Rauchpausen außerhalb der gesetzlichen Ruhepausen oder entgegen der Vereinbarung mit dem Arbeitgeber kann einen Entlassungsgrund darstellen, wenn die Arbeit dadurch vernachlässigt wird und es so zu Nachteilen für den Arbeitgeber kommt. Voraussetzungen ist jedoch, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor abgemahnt und darauf hingewiesen hat, dass erneute derartige Pflichtverletzungen Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis haben können.

Fazit

Anna S. kann argumentieren, dass sie durch das jahrelange Tolerieren der Rauchpausen durch den Arbeitgeber einen Rechtsanspruch erworben hat, im selben Umfang wie bisher gegen Bezahlung weiterrauchen zu dürfen. Ansonsten bleibt Anna S. nur die Möglichkeit, mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung über die künftigen Rauchpausen zu treffen. Allenfalls unter der Bedingung, die konsumierten Rauchpausen einzuarbeiten.

Monika Sturm ist Rechtsanwältin bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung im Bereich Arbeitsrecht.

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