Rotweinkunst

Kolumne "Führungsfehler". In seinen Träumen sah sich der Geschäftsführer als Kunstmäzen. Die Firma war ihm Mittel zum Zweck.

Auf einer Vernissage hatte er diesen jungen Künstler kennengelernt. Der war nicht dumm und erkannte sofort den potenziellen Sponsor. „Du magst Rotwein, ich mag Rotwein“, säuselte er ihm zu später Stunde ins Ohr. Dem Geschäftsführer wurde ob des vertraulichen „Du“ ganz warm ums Herz. Er träume schon lange von einer Serie, setzte der Künstler fort. Die edelsten Rotweine wolle er verkosten, auf sich wirken lassen und dann den Flascheninhalt auf Leinwand gießen, schütten, sprenkeln. Wie es ihm die künstlerische Inspiration befehle. Ob er den Geschäftsführer dafür gewinnen könne?

Zwei Flaschen später hatte er ihn soweit. Der Geschäftsführer sagte nicht nur die Übernahme der (beträchtlichen) Materialkosten zu, er würde auch Galerie und Ausstellung finanzieren. Nicht aus eigener Tasche, versteht sich, auf Firmenkosten. Schlau wie er war würde er eine Vernissage eigens für die Mitarbeiter organisieren und als Sozialaufwand geltend machen.

So kam es, dass 100 entgeisterte Mitarbeiter ihren Feierabend opfern mussten, um Rotweinflecken auf Leinwand zu betrachten. Was das mit Kunst zu tun haben sollte, verstanden sie nicht. Der Wein wäre ihnen lieber gewesen.

Ihr Chef aber, der fühlte sich einen Abend lang als richtiger Kunstmäzen.

Das Management. Unendliche Möglichkeiten für Führungsfehler. Wenn Sie einen solchen loswerden wollen, schreiben Sie an: andrea.lehky@diepresse.com

Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle "Führungsfehler" finden Sie hier.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Führungsfehler

Wechselseitige Beweihräucherung

Kolumne. Es begann mit der kleinen Bitte einer früheren Mitarbeiterin, ihr doch eine Empfehlung auf LinkedIn zu schreiben. Gerne, sagte man, und schrieb frei heraus, was man an ihr schätzte.
Führungsfehler

Anfängerfehler

Kolumne. Ein Geschäftsführer will ein neues Warenwirtschaftsprogramm, speziell auf seine Bedürfnisse abgestimmt. Sein Programmierer legt ein Angebot. "Zu teuer", kommentiert der Geschäftsführer.
Führungsfehler

WiFi down

Kolumne. Ein Studentenheim mit instabilem Internetzugang. Nicht, dass heutzutage jemand WiFi brauchen würde.
Führungsfehler

Wenn sich 30-Jährige vor 20-Jährigen fürchten

Kolumne. Noch jede Generation hatte ihre Konflikte mit den nachfolgenden. Glaubt man der New York Times, kommt es diesmal schlimmer: Vor der Generation Z kapitulieren selbst Millennials.
Führungsfehler

Erst denken, dann demonstrieren

Kolumne. Dieser „Führungsfehler“ schließt nahtlos an den vorhergehenden an. Er stammt von einer engagierten Mutter, die an einer „Fridays for Future“-Demo teilnahm. Zur Erinnerung: Dort geht es um die Umwelt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.