Warum es nicht immer ein Gewinn sein muss zu siegen.
Verlieren ist nicht gut. Als Verlierer dazustehen noch unangenehmer. Weil Geschäftsbeziehungen meist langfristig angelegt sein sollen wäre es ja geradezu unverantwortlich, das Gegenüber zu brüskieren – auch wenn man es noch so sehr über den Tisch zieht. Also bedienen sich Findige der Win-win-Situation und missbrauchen sie als Sprechblase. Win-win, das klingt nach Gerechtigkeit. Aber was ist schon gerecht? Viele sogenannte Win-win-Situationen sind zumindest für eine Seite ein Hohn.
Tatsächlich tritt eine Win-win-Situation dann ein, wenn die Parteien mehr Nutzen aus der Vereinbarung ziehen, als gäbe es gar keine Übereinkunft. Legendär sind die beiden, die sich um eine Orange stritten und einen Kompromiss zustande brachten: Sie schnitten die Orange in der Mitte durch – und standen beide als Verlierer da. Sie hatten sich nicht wie bei der Mediation die Zeit genommen, ihre Interessen zu ermitteln: Der eine wollte nur die Schale, der andere nur das Fruchtfleisch.
Interessen zu erforschen braucht Zeit, die sich viele nicht gönnen. Bloß von einer Win-win-Situation zu sprechen, wirkt als Beruhigungspille viel schneller.
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