Warum „pragmatisch“ das Zauber- salz für gute Entscheidungen ist.
Die pragmatisierten Beamten waren in der Vergangenheit ein dankbares Feindbild. Ganz anders als die Pragmatisierten sind die Pragmatischen heute die Helden der Führung. Wer als seriöser Manager gelten will, handelt – ganz richtig – pragmatisch.
Das macht Schule, plötzlich ist alles Mögliche pragmatisch: Bücher beantworten pragmatische Fragen, in der Medizin wird pragmatische Diagnostik geboten, pragmatisches Wissen wird mit kontinuierlichem Verbesserungsdenken kombiniert und Behörden der wenig pragmatische Umgang mit Gesetzen vorgeworfen. Eine Kosmetikkette bietet sogar pragmatischen Nachkauf von Pflegeprodukten an. Zum Vergleich: Vor mehr als 200 Jahren war es lediglich eine Sanktion, die pragmatisch war und die habsburgische Erbfolge neu regelte.
Das Wort pragmatisch, das nichts anderes als sachbezogen bedeutet, hat also das Zeug zur Sprechblase. Denn wer pragmatisch vorgeht, so scheint es, handelt automatisch weise. Oder wie man in Deutschland sagen würde, zwingend alternativlos.
Als wäre „pragmatisch“ allein nicht aussagekräftig genug, wird es neuerdings mit anderen Adjektiven verbunden: Sicherheitsexperten fordern da einen pragmatisch-realistischen Zugang, der Finanzminister wird als pragmatisch-optimistisch, ein bekannter Philosoph als liebevoll-pragmatisch bezeichnet, und ein Architektenteam beschrieb sein Modell als radikal-pragmatische Antwort auf alle möglichen Herausforderungen.
Übrigens: Die Beamtenpragmatisierung wurde vor genau 100 Jahren eingeführt. Sie sollte die Beamten widerstandsfähig gegen permanente Bestechungsversuche machen und sachbezogene und rechtmäßige Entscheidungen ermöglichen – damals eine durchaus berechtigte Begründung.
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