Wie "Wally" vor 20 Jahren für ein Restitutionsgesetz sorgte

ARCHIVBILD: ´BILDNIS WALLY´
ARCHIVBILD: ´BILDNIS WALLY´(c) APA/EGON SCHIELE / LEOPOLD MUSEUM-PRIVATSTIFTUNG (EGON SCHIELE / LEOPOLD MUSEUM-PRIVATSTIFTUNG)
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Egon Schieles Gemälde "Bildnis Wally" und "Tote Stadt III" wurden am 7. Jänner 1998 in New York beschlagnahmt. Dies war der Auftakt für eine Wende der österreichischen Restitutionspolitik.

Es ist der 7. Jänner 1998 als die Ausstellung "Egon Schiele: The Leopold Collection, Vienna" am Museum of Modern Art New York zu Ende geht. Die beiden Gemälde "Bildnis Wally" und "Tote Stadt III" werden sofort von der New Yorker Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Es ist der Auftakt zu einem zwölfjährigen Rechtsstreit - und der Anlass für eine Wende der österreichischen Restitutionspolitik.

Die Beschlagnahmung kommt als Schock für die Sammlerfamilie Leopold und bringt das jahrzehntelang stiefmütterlich behandelte Thema Raubkunst ins Licht der Öffentlichkeit - mit weitreichenden Folgen. Das Kunstrückgabegesetz wird beschlossen - für öffentliche Einrichtungen in Österreich. Eine Kommission für Provenienzforschung prüft und regelt von nun an die Rückgabe von Werken, die in der NS-Zeit entzogen oder abgepresst worden sind und gibt für die österreichische Rückgabepolitik eine neue Linie vor: Statt auf Ansprüche von Erben rechtmäßiger Besitzer zu warten, werden die Bestände der öffentlichen Hand aktiv durchforstet. Dass das Gesetz gerade für den Anlassfall - die Sammlung Leopold - aufgrund ihres Status als Privatstiftung nicht greift, wird von Beginn an zum Kritikpunkt.

15 Millionen Euro nach zehnjährigem Rechtsstreit

Das "Bildnis Wally", ein Porträt von Schieles Modell und zeitweiliger Lebensgefährtin Walburga Neuzil aus dem Jahr 1912, gelangte über Emil Toepfer und den Verleger Richard Lanyi um 1920 an die Besitzerin der Galerie Würthle, Lea Bondi-Jaray. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde die Galerie von Friedrich Welz "arisiert", die "Wally" presste er Bondi-Jaray aus ihrem Privatbesitz unter noch heute strittigen Umständen ab. 1945 erhielt Bondi-Jaray zwar ihre Galerie zurück - die "Wally" fehlte aber.

Die Behörden hatten das Bild versehentlich an die Erben des in Theresienstadt ermordeten jüdischen Kunstsammlers und Zahnarztes Heinrich Rieger restituiert, die es wiederum 1950 an die Österreichische Galerie Belvedere verkauften. 1954 kam die "Wally" schließlich in den Besitz des Augenarztes Rudolf Leopold. Er erwarb das Gemälde im Tausch gegen Schieles "Rainerbub".

Die Erben der Galeristin Bondi-Jaray einigten sich mit der Stiftung Leopold im Jahr 2010, nach mehr als zehnjährigem Rechtsstreit, auf eine Zahlung von 15 Millionen Euro. Im August 2010 kehrte das Bild "heim" ins Leopold Museum, nur wenige Wochen nach dem Tod von Sammler Rudolf Leopold, der bis zuletzt vehement für seinen Verbleib in der Sammlung gekämpft hatte.

AUSTRIA ARTS
AUSTRIA ARTS(c) EPA (HANS KLAUS TECHT)

Wie weitreichend die Folgen der Causa "Wally" tatsächlich sein würden, war auch nach Inkrafttreten des Kunstrückgabegesetzes 1998 wohl nur wenigen klar. Die Kommission für Provenienzforschung, so nahm man anfangs an, würde nach wenigen Jahren mit der Aufarbeitung der Museumsbestände fertig sein. 20 Jahre später kann davon noch keine Rede sein - so vielfältig sind die Sammlungen, so umfassend und systematisch wurde der Kunstraub betrieben, so schwierig gestaltet sich oftmals die Suche nach den rechtmäßigen Besitzern und ihren Erben.

2009: Novelle des Restitutionsgesetzes

Mit der Novelle des Kunstrückgabegesetzes 2009 wurde außerdem das Feld erweitert: nicht nur Kunstwerke, sondern auch "sonstiges bewegliches Kulturgut " wurde damit erfasst - und zwar nicht nur solches in den Museen, sondern in unmittelbarem Bundesbesitz. Noch entscheidender: Seit der Novelle können auch solche Kunstwerke zurückgegeben werden, die Österreich den ursprünglichen Besitzern nach dem Krieg zu einem marktkonformen Preis abgekauft hat - sofern dieser Kauf unter Druck stattgefunden hat, etwa im Zusammenhang mit einer Ausfuhrgenehmigung des Bundesdenkmalamts für andere Kunstwerke - ein Gegengeschäft, das in der Nachkriegszeit gängige Praxis war.

Österreich als Vorreiter in Restitutionsfragen

Vier oder fünf Mal im Jahr tritt der Kunstrückgabebeirat zusammen, um aufgrund der Forschungsergebnisse der Kommission eine Empfehlung für oder wider eine Rückgabe an das zuständige Kulturministerium auszusprechen. Bisher wurde jeder Empfehlung Folge geleistet. International gilt Österreich mittlerweile als Vorreiter in Restitutionsfragen - auch wenn in manchen prominenten Fällen, zuletzt etwa bei der "Malkunst" von Vermeer oder bei dem "Beethovenfries" von Gustav Klimt, eine Rückgabe abgelehnt wurde.

Das Kunsthistorische Museum widmet Vermeers ´Malkunst´ eine Ausstellung
Das Kunsthistorische Museum widmet Vermeers ´Malkunst´ eine Ausstellung(c) Kunsthistorisches Museum Wien

Auch international war 1998 ein Wendejahr in puncto Nazi-Raubkunst. Im Dezember nehmen 44 Nationen bei der "Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust" teil. Man verständigte sich auf elf Grundsätze zum Umgang mit Kunstwerken, die von den Nazis beschlagnahmt und bisher nicht zurückgegeben worden waren. Im Mittelpunkt stand eine für alle Beteiligten "gerechte und faire Lösung". Ein Übereinkommen, an dem sich auch private Fälle, wie es sie auch in Österreich seither immer wieder gegeben hat, orientieren.

(APA/Red.)

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