Wilder Antisemitismus-Streit um Regisseur Ken Loach

Ken Loach (81) ging auf einer Pressekonferenz zum Gegenangriff über.
Ken Loach (81) ging auf einer Pressekonferenz zum Gegenangriff über.imago/Belga
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Jüdische Verbände werfen dem britischen Filmemacher sogar Holocaustleugnung vor. Loach schoss nun scharf zurück.

Eine heftige Polemik ist rund um den britischen Regisseur und zweifachen Cannes-Preisträger Ken Loach in Gang. Anlass war, dass die Freie Universität Brüssel ihm am Donnerstag die Ehrendoktorwürde verliehen hat. Die Proteste waren in den Tagen davor so heftig geworden, dass sogar der belgische Premier sein Bedauern über die Entscheidung der Universität zu verstehen gab. Der 81-jährige Loach, bekannt für Filme wie "The Wind That Shakes the Barley" oder "Ich, Daniel Blake" ging daraufhin auf der Pressekonferenz anlässlich der Verleihung zum Gegenangriff über.

Was sind die Vorwürfe? Ein Öffentlicher Brief, der am Dienstag in der belgischen Zeitung "L'Echo" erschienen ist, bezichtigt den bekennenden Sozialisten und Antizionisten Loach, "zu politischen Zwecken die Geschichte zu verfälschen". Loach war in einem BBC-Interview im September 2017 auf Antisemitismus- und sogar Holocaustleugnungvorwürfe gegen Mitglieder der Labour Partei angesprochen worden - seine Antwort: "Jede Geschichte ist unser gemeinsames Erbe, das wir diskutieren und analysieren müssen. Die Gründung des Staates Israel zum Beispiel, gegründet auf ethnische Säuberung, muss diskutiert werden ... Also versuchen Sie nicht, das durch falsche Antisemitismus-Geschichten zu verdrehen". Loachs Kritiker bezichtigen ihn deswegen, die Leugnung des Holocaust zu verteidigen.

European Jewish Congress forderte Rücknahme

Sie erinnern auch an einen alten Skandal - jenen um das von Loach inszenierte Stück "Perdition" , dessen Londoner Premiere in den Achzigerjahren nach Protesten abgesagt wurde: Es geht darin um Kollaboration zionistischer Führungskräfte mit den Nazis in Ungarn während des Zweiten Weltkriegs. Am Donnerstag appellierte auch noch der European Jewish Congress an die Universität, sie solle ihre Entscheidung rückgängig machen. Denn Loach habe "unentwegt die Bemühungen unterminiert, in Großbritannien den Antisemitismus zu bekämpfen."

Loach freilich reagierte am Donnerstag heftig. "Herr Michel, prüfen Sie die Beweise und ziehen Sie Ihre Aussagen zurück!", appellierte er an den belgischen Premier. Er sei schockiert über dessen Kritik an der Universität. Der Premier ignoriere "ungeheuerliche Verstöße gegen das internationale Recht" durch Israel. Charles Michel hatte in einer Rede in der Großen Synagoge in Brüssel gesagt: "Keine Zugeständnisse an den Antisemitismus können toleriert werden". Das gelte auch für seine eigene Universität (die Freie Universität Brüssel, Michel studierte dort Jus).

Loach: Vorwürfe "grotesk"

Die Uni hatte als Reaktion auf den Proteststurm Ken Loach gebeten, "seine Positionen unmissverständlich" zu formulieren, was Loach auch getan hatte: "Um jedes Missverständnis zu vermeiden, erkläre ich hiermit, dass ich jede Form von Holocaust-Leugnung verurteile". Er habe sein Leben lang für jene Partei ergriffen, "die verfolgt und marginalisiert sind". "Mich als Antisemiten darzustellen, nur weil ich meine Stimme mit jenen erhebe, die das Elend der Palästinenser verurteilen, ist grotesk." Er finde es "etwas schockierend", fügte er am Donnerstag bei der Pressekonferenz hinzu, dass er überhaupt eine solche Erklärung abgeben müsse.

Der Streit steht auch in Zusammenhang mit Antisemitismusvorwürfen gegen Labour-Mitglieder und innerparteilichen ideologischen Zwistigkeiten – Labour-Chef Jeremy Corbyn ist ein pazifistischer, für die Palästinenser engagierter „klassischer“ Linker. Loach steht auf seiner Seite.

(red.)

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