Blind und autoritär? Streit um Queer-Aktivisten

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Sprechverbote, Denunziantentum: Queer-Bewegung und Genderforschung erfahren radikale Kritik aus den eigenen Reihen, Feministin Alice Schwarzer attackiert die Queer-Pionierin Judith Butler. Es geht um Geschlecht und den Islam.

Antiautoritär und tolerant in Bezug auf jede (sexuelle) Abweichung, im Englischen „queerness“: So verstand sich die Queer-Bewegung, die in den Neunzigerjahren unter dem Eindruck von Aids entstand. In der Praxis ist sie teils ins Gegenteil umgeschlagen: in eine Verbotsflut und die besessene Verfolgung der „Sünden“ anderer.

Drastische Beispiele dafür lieferte der im Frühjahr erschienene Sammelband „Beißreflexe“ von 25 Autoren, darunter viele Queer- und feministische Aktivisten. Die darin geschilderten Verbote betreffen etwa Dreadlocks oder Tunnelohrringen für „weiße“ Europäer, kleinste Kritik an islamischer Frauen- oder Homosexuellenfeindlichkeit oder die Schreibung des Wortes „Frau“ ohne Sternchen. Monogame Homosexuelle oder „weiße“ Feministinnen werden als „bürgerlich“ und „privilegiert“ abgelehnt. Die Herausgeberin des Bandes, Patsy l'Amour laLove, schildert beklemmende Bußrituale bei einem Berliner Queer-Event 2013, bei dem die Teilnehmer Sündenbekenntnisse (etwa „Ich trage Dreadlocks und bin weiß“) und Gelübde ablegten. Dahinter steht die Vorstellung, dass „Weiße“, vielleicht gar heterosexuelle, per se und unabänderlich an den Sünden des Kolonialismus Anteil hätten. Wie dieses schlichte, aber in esoterische Begrifflichkeit gekleidete Schwarz-Weiß-Denken auch in kulturelle Großveranstaltungen Eingang finden kann, hat das Programm der diesjährigen Festwochen bewiesen.

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