Richtig gendern: Rechtschreibrat rät abzuwarten

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat auf seiner heutigen Sitzung in Wien noch keinerlei Empfehlung abgegeben, wie sie von manchen Medien in Deutschland erwartet worden war.

Aus Sicht des Rates für deutsche Rechtschreibung ist es für Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Sprache noch zu früh. Der aus Vertretern aller deutschsprachiger Länder zusammengesetzte Rat hat auf seiner Sitzung heute in Wien festgestellt, dass die Schreibentwicklung rund um Binnen-I, Asterisk (Lehrer*innen) oder Doppelnennung „noch nicht so weit gediehen ist, dass das Regelwerk der Amtlichen deutschen Rechtschreibung geändert werden sollte“. Das „Gendersternchen“ wird also vorerst nicht „in den Duden einziehen“, wie es etwa die „Märkische Allgemeine Zeitung“ schon kommen sah.

Tatsächlich sind die Varianten einer geschlechtergerechten Markierung in der Sprache kaum noch zu überblicken. Sie reichen von der vollständigen Paarform (Österreicherinnen und Österreicher) über den Einsatz von Schrägstrichen (Student/in), das Binnen-I oder den Asterisk bis zu ganz schwer verständlichen Kunstformen mit x. Diese mögen schon ein Vorgriff auf die zunehmende Verankerung eines dritten Geschlechts sein und dürften am ehesten im akademischen Bereich zu beobachten sein:  „Dix Studierx hat in xs Vortrag darauf aufmerksam gemacht, …“

"Keine eindeutige Tendenz"

Wie Josef Lange, der Vorsitzende des Rechtschreibrates, in einer Pressemitteilung erklärte, werde „die weit verbreitete Praxis, immer von Frauen und Männern in weiblicher und männlicher Form, im Plural oder in Passivkonstruktionen zu schreiben“, der Erwartung geschlechtergerechter Schreibung derzeit am ehesten gerecht. Gleichwohl sieht der Rat nach seiner Beobachtung der geschriebenen Sprache „derzeit keine eindeutige Tendenz, wie durch Orthografie die Schreibung geschlechtergerecht gestaltet werden kann“.

Der Rat hat deshalb die im November 2017 eingesetzte Arbeitsgruppe „Geschlechtergerechte Schreibung“ gebeten, bis zu seiner nächsten Sitzung im November 2018 mögliche Empfehlungen an die staatlichen Stellen vorzubereiten. Dabei sollte sich die Arbeitsgruppe fünf Grundsätze beachten. Geschlechtergerechte Schreibung sollte

  • verständlich sein,
  • lesbar sein,
  • vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen),
  • grammatisch korrekt sein,
  • Eindeutigkeit und Rechtssicherheit gewährleisten (im Hinblick auf die Verbindlichkeit der Amtlichen Regeln für Verwaltung und Rechtspflege).

Bei all dem sei auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Funktionen von Texten zu achten.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung wurde von Deutschland, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens eingerichtet. Seine Aufgabe ist es, die Schreibentwicklung zu beobachten, Zweifelsfälle der Rechtschreibung zu klären und Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache zu erarbeiten und wissenschaftlich zu begründen. Verbindlich können seine Äußerungen nur werden, indem die staatlichen Stellen sie billigen.

Offenlegung: Der Autor ist eines der von Österreich entsandten Mitglieder des Rates für deutsche Rechtschreibung.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.