Chantal Mouffe: „Viele Linke verteidigen neoliberale Utopie“

„Wenn jeder überall hinkann, geht die Idee der Bürgerschaft verloren“: Chantal Mouffe sieht Widersprüche in der Haltung vieler Linker zur Migration.
„Wenn jeder überall hinkann, geht die Idee der Bürgerschaft verloren“: Chantal Mouffe sieht Widersprüche in der Haltung vieler Linker zur Migration.(c) Stanislav Kogiku
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Sie fordert einen Populismus von links und kritisiert die „moralische Linke“ in der Migrationsfrage: Die belgische Politologin Chantal Mouffe über Marine Le Pen in der Regierung und den Wert des Nationalen.

Die Presse: Sie haben die Konsenspolitik, verkörpert in Großen Koalitionen, schon lang als schädlich für die Demokratie kritisiert. Fühlen Sie sich mit den Wahlergebnissen der letzten Zeit bestätigt?

Chantal Mouffe: Ja, ich habe das zu einer Zeit kritisiert, als es noch wenige rechte populistische Bewegungen gab, jetzt haben wir sie in ganz Europa. Meine Prophezeiung hat sich erfüllt. Das ist ein Ergebnis der Postpolitik, der Verschiebung der Parteien Richtung Mitte. Der Wegfall der Antagonismen wurde als Fortschritt für die Demokratie präsentiert, tatsächlich hat es die Wahlmöglichkeiten der Bürger beschränkt. Teile der Gesellschaft fühlten sich nicht mehr repräsentiert.

Marine Le Pen laufen immer mehr Wähler zu. Fänden Sie eine Regierungsbeteiligung ihrer Partei inakzeptabel?

Wir haben mit Marine Le Pen dieselbe Debatte wie schon 2001 in Österreich. Viele meiner Freunde fanden es damals illegitim, dass die FPÖ in der Regierung ist. Ich habe gesagt: „27 Prozent haben sie doch gewählt.“ „Trotzdem, nein, nein, nein!“, erhielt ich als Antwort. Aber wenn das inakzeptabel ist, warum erlaubt man solchen Parteien, bei Wahlen anzutreten und vom Staat Geld zu bekommen? Sie dürfen Repräsentanten im Parlament haben, aber nicht in der Regierung? Dürfen wahlkämpfen, aber nicht gewinnen? Das ist total widersprüchlich.

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