Papyrusmuseum: Ein Getränk für Götter, Herrscher und andere durstige Zecher

Keltern als lustvoller Kult: ein circa 1600 Jahre altes textiles Medaillon aus Ägypten.
Keltern als lustvoller Kult: ein circa 1600 Jahre altes textiles Medaillon aus Ägypten.(c) Öst. Nationalbibliothek
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In der Nationalbibliothek widmet sich eine Ausstellung dem Weinbau in Ägypten – von den Pharaonen bis in die arabische Zeit.

Termingeschäfte sind keine Erfindung der Neuzeit, sondern waren bereits in der Antike üblich, wie ein Papyrus in griechischer Sprache aus dem 6. Jahrhundert nach Christus beweist. In dem Formular geht es um eine Weinlieferung in Ägypten. Die Schwestern Anna und Tgothis aus dem Weiler Turubestis im Gau von Arsinoiton bestätigen den Empfang von „wohlschmeckendem Weinmost“. Sie verpflichten sich, nach der kommenden Ernte wieder eine bestimmte Menge Wein zurückzuliefern, und zwar „von der Kelter des kommenden dritten Indiktionsjahres, wobei wir für Essig bis zum Monat Tybi sicher bürgen“. Die Winzerinnen müssten also haften, wenn der Wein danach bis zum Jahreswechsel allzu resch wird.

Anhand solcher Dokumente – insgesamt sind 70 Exponate zu sehen – erschließt sich bei einer Ausstellung im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek die Kunst des Weinbaus im alten Ägypten. „In vino veritas“ ist, besonders in Kombination mit dem von Museumsdirektor Bernhard Palme und Kuratorin Angelika Zdiarsky herausgegebenen Katalog, ein Crashkurs zum frühen Wein. Es gibt zwar wesentlich ältere Anbaugebiete als jene am Nil, etwa am Kaukasus, doch durch Importe war das Getränk bereits in vordynastischer Zeit im Umlauf. Und vor ungefähr 5000 Jahren begann die Produktion auch in Ägypten. Wein war anfangs als Getränk für Herrscher und Götter bestimmt. Einen allgemeinen Boom und technische Fortschritte erlebte er dort durch die Griechen, besonders durch Alexander den Großen. Unter den Römern ab 30 v. Chr. und in frühchristlicher Zeit wurde die Tradition fortgesetzt. Wein diente sogar als Zahlungsmittel. Eine rare lateinische Anweisung legte am Ende des vierten Jahrhunderts Rationen für eine Legion in Memphis fest.

Winzer unter arabischer Herrschaft

Auch nach der Eroberung Ägyptens durch die Araber wurde die Produktion nicht eingestellt, obwohl der Islam den Alkohol an sich ablehnt. In einem arabischen Papyrus aus dem 9. oder 10. Jahrhundert berichtet 'Utmân ben Sa'd seinem Vater vom Besuch des mütterlichen Weinguts im Dorf Qalahâ. Es geht um Beschwerden: Die Winzer haben offenbar keinen Lohn erhalten. Der Vater solle reagieren, sonst stehe die Arbeit still.

Viele der Texte, vor allem jene, bei denen es sich um Pachtverträge handelt, zählen jede Menge rechtlicher Details auf. Der Winzer Aurelios Abraamios etwa verpflichtet sich 624 n. Chr. dazu, dem Grundbesitzer Flavios Demetrios für ein Hektar Weingarten nahe der Stadt Hermupolis in den nächsten drei Jahren nicht nur den halben Ertrag, sondern u. a. auch noch ein Ferkel, Käse, Brot und Öl zu liefern. In einem anderen Vertrag wird ein Flötenspieler für die Unterhaltung bei der Weinlese engagiert. Vielleicht gab er den Takt für die Traubentreter vor. Einen solchen sieht man in einem Unikat: Auf einem Medaillon aus Bastfaser stampft ein Arbeiter die Maische, flankiert von zwei Kollegen, die Gefäße bringen.

Die kleine, konzentrierte Schau mit ihren bis zu 3000 Jahre alten Objekten ist didaktisch klug und liebevoll gemacht. Warum aber der lateinische Titel „In vino veritas“? Nun, dass im Wein die Wahrheit liege, haben die Römer angeblich von Alkaios übernommen, der um 600 v. Chr. auf Lesbos lebte. Für einige Jahre ging der griechische Lyriker nach Ägypten ins politische Exil. Dort gab es an Wein wahrlich keinen Mangel.

Bis 12. 1. 2020 im Papyrusmuseum am Heldenplatz, Di bis So: 10–18 h (bis September auch Mo), Do: 10–21 h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2019)

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