Film-Retrospektive: Liebe, Essen, Musik – nur keine Politik!

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Beinahe hätte der israelische Film Österreich den Auslandsoscar weggeschnappt. Mit „Die Band nebenan“ – und dem neuen Erfolgstrend: „Kino der Nichteinmischung“.

Vielleicht hätte Israel den Auslandsoscar eingeheimst, den schließlich Österreich für Stefan Ruzowitzkys Die Fälscher bekam, wenn die Regeln für den besten fremdsprachigen Film nicht so streng wären. Denn ursprünglich hatte Israel den Festivalhit Die Band von nebenan eingereicht: Die Tragikomödie von den Verständnisschwierigkeiten der versehentlich in der Negev-Wüste gestrandeten ägyptischen Polizeimusikkapelle wurde aber wegen mehrheitlich englischer Dialoge nicht zugelassen. So wurde der Kriegsfilm Beaufortnachnominiert, der kam zwar unter die letzten fünf, unterlag aber Ruzowitzky. (Vielleicht ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit: Bei den Oscars 2006 hatte man Michael Hanekes favorisierten – aber eben französischsprachigen – Kunstkrimi Caché nicht als österreichische Nominierung akzeptiert.)

Unabhängig von den Oscars stehen die beiden (auch für die aktuelle Filmarchiv-Schau „Kino in Israel“ ausgewählten) Filme für einen neuen Erfolgstrend in der nationalen Produktion: Sie waren in der Heimat große Erfolge bei Kritik wie Publikum (mit knapp 300.000 Besuchern). Und den Weg in globale Kunstkinos ebneten Auszeichnungen auf Großfestivals: Joseph Cedar gewann für Beaufort den Regiepreis der Berlinale, Kinodebütant Eran Kolirin wurde mit Die Band von nebenan in einer Nebensektion von Cannes prämiert, beide erhielten weitere Preise im In- und Ausland.

Damit sind sie Speerspitzen einer Filmwelle, die Spezialist Palo Utin als „Kino der Nichteinmischung“ charakterisiert hat, weil auf politischen Kontext verzichtet wird. So schildert Cedar in Beaufort die letzten Tage der israelischen Truppenbesatzung auf der gleichnamigen Festung im Südlibanon als reinen Überlebenskampf. Gleichermaßen diskutiert Kolirins arabische Band mit den jüdischen Einheimischen über Liebe, Musik, Träume, Einsamkeit und Essen – nur nicht über Politik.

Im Ausland kann man diese Allegorien also einfach als universal sehen, in der Heimat ist es komplexer, das Kino der Nichteinmischung ist auch eine Gegenbewegung: Das Ausbleiben ideologischer Predigten bringt nun Leute ins Kino, die das direkte politische Engagement einschlägiger Klassiker wie Jenseits der Mauern (1984) oder Avanti Popolo (1986) abschreckte. Seit dem Überraschungserfolg der Zwangsheirats-Satire Hochzeit wider Willen (2001) verzichten immer mehr Filmemacher darauf, jene Probleme anzusprechen, die ohnehin die täglichen Nachrichten dominieren: Auch wenn sie auf der Leinwand quasi nur die Spitze des Eisbergs sehen, können sich die Israelis den Rest denken.

Massaker im Libanon

Prononciert politisches Kino gibt es natürlich weiterhin: Ob, gewohnt unausgewogen, von Israels designiertem Festival-Auteur Amos Gitai – oder in Ari Folmans animiertem Dokumentarfilm Waltz with Bashir, der eben in Cannes Aufsehen erregte, und fast wie direkte Kritik am Kino der Nichteinmischung wirkt. Folmans ganz persönliche Spurensuche zu einem Massaker im Libanon 1982 wird zwar dezidiert politisch, verrennt sich dabei bezeichnenderweise aber auch in einer Sackgasse. Der Film hat bereits einen heimischen Verleih, der Starttermin ist noch ungewiss. Inzwischen kann man bei „Kino in Israel“ sehen, dass auch Folman früher selbst unwahrscheinliche Ausweichbewegungen machte. Seine apokalyptische Fantasie Saint Clara (1996) nach Pavel Kohout spielt zwar in Israel, aber ihr magischer Realismus war auch schon: schlicht universal.

„Kino in Israel“:Bis 3. 7. im Wiener Metro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2008)

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