Lars Eidinger: „Ich lese jedes Drehbuch zu Ende“

Will nicht zu seinem eigenen Klischee verkommen: Lars Eidinger.
Will nicht zu seinem eigenen Klischee verkommen: Lars Eidinger.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Weil er „Das weiße Rauschen“ nicht las, entging ihm die Rolle seines Lebens. An der Seite von Birgit Minichmayr bekam er eine zweite Chance – und nutzte sie.

Eskalationen bei großen Familienzusammenkünften gab es auf der Leinwand schon oft – legendär in Thomas Vinterbergs „Das Fest“ (1998), bitterböse zuletzt in David Schalkos Serie „Altes Geld“. Auch in Lars Kraumes tragikomischem Kammerspiel „Familienfest“, das am 31. Dezember in den österreichischen Kinos anläuft, fliegen schnell die Fetzen.

In den Ring steigen Schauspielgrößen wie Hannelore Elsner, Barnaby Metschurat und Lars Eidinger. Letzterer gibt eine stille, einnehmende, kräfteraubende Performance als ernüchterter Max, der sich im Laufe des Films – als Hüter eines großes Geheimnisses – zur zentralen Figur mausert.

Seit Maren Ades „Alle anderen“ (2009) an der Seite von Birgit Minichmayr zählt Eidinger zu den gefragtesten deutschen Schauspielern. Shakespeare-Helden gibt das langjährige Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne ebenso wie „Tatort“-Psychopathen. „Alle anderen“ bezeichnet er immer noch als einen seiner Lieblingsfilme – als „vollendetes Werk, das zu 100 Prozent stimmt und das ich mir immer wieder ansehen kann“. Dass der vielleicht beste Film, in dem er mitgewirkt hat, schon so früh in seiner Karriere entstanden ist, sei auf der einen Seite „komisch und schlimm“, gleichzeitig aber auch ein bemerkenswerter Glücksfall.

Lektion fürs Leben

Ein weniger glückliches Händchen habe er mit seiner Entscheidung bewiesen, nicht am Casting für Hans Weingartners Debütfilm „Das weiße Rauschen“ teilzunehmen – einer seiner weiteren Lieblingsfilme.
Die Hauptrolle ging an Daniel Brühl und leitete dessen beispiellose Karriere ein. „Natürlich weiß ich nicht, ob ich die Rolle auch wirklich bekommen hätte, aber ich ärgere mich schon, dass ich das Drehbuch damals nicht gelesen habe“, sagt Eidinger. „Ich fand den Titel einfach so langweilig. Das war mir aber eine Lehre. Seither lese ich jedes Drehbuch, das mir zugeschickt wird – und zwar sehr aufmerksam und konzentriert.“

Denn ein Drehbuch „mal eben nebenbei“ zu lesen schaffe er nicht. „Schließlich muss man sich in diese Welt einlassen, das dauert eine Weile“, betont der 39-Jährige. „Auch die Stimmung und Aufnahmebereitschaft spielen eine Rolle. Oft lege ich ein Drehbuch weg und lese am nächsten Tag weiter, weil ich dann viel empfänglicher für die Geschichte bin.“

In „Familienfest“ spielt Eidinger einen leicht desillusionierten Kreativen – eine Rolle, mit der er sich selbst durchaus identifizieren kann. Auch er habe seine Eltern damals überrumpelt, als er sich auf der Schauspielschule eingeschrieben habe. „Da wussten sie noch gar nicht, dass es so etwas gibt“, erzählt der Berliner. „Unser Nachbar hat mich damals zur Seite genommen und gemeint: ,Du, Lars, du musst schon wissen, Schauspielerei ist eine brotlose Kunst, damit kann man kein Geld verdienen.‘ Vor ein paar Jahren kam er nochmal zu mir und meinte, er müsse sich da korrigieren. Das fand ich süß.“ Besonders glücklich zeigt sich der Schauspieler über das breite Spektrum an Rollen, die ihm angeboten werden. „Es wäre nichts schlimmer für mich, als immer nur Figuren wie Max oder Chris aus ,Alle anderen‘ zu spielen. Ich bin froh, dass ich da ins Extreme gehen und einen Psycho-Postboten im ,Tatort‘ spielen kann.“

Denn ehrlicherweise müsse man bekennen, dass das Maß an Auseinandersetzung und Tiefgang bei einem Film wie „Familienfest“ ein ganz anderes sei. Ein „Tatort“ funktioniere auch über eine Form von Oberflächlichkeit, „aber das meine ich nicht wertend. Ich stehe auch oft in der Videothek und nehme mir dann den letzten Blockbuster mit, weil ich gerade keinen Bock habe, einen Arthouse-Film zu sehen.“

„Ruhm nicht befriedigend“

Seinen Ruhm bezeichnet Eidinger als seltsam „abstrakt und nicht greifbar“. Daher sei „diese Form der Bestätigung letztendlich auch nicht wirklich befriedigend“. Vor allem müsse er aufpassen, „dass man nicht zu seinem eigenen Klischee verkommt, indem man versucht, dem Image zu entsprechen, das von außen an einen herangetragen wird.“

Zur Person

Bühne und Leinwand. Lars Eidinger wurde 1976 in Berlin geboren und machte sich zunächst einen Namen am Theater als langjähriges Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne. In Maren Ades „Alle anderen“ (2009) gelang ihm an der Seite von Birgit Minichmayr der Durchbruch auf der Kinoleinwand. Mittlerweile ist er einer der gefragtesten deutschen Schauspieler. Sein neuer Film, „Familienfest“, kommt am 31. Dezember ins Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2015)

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