"Fack ju Göhte": Purer Unfug mit Moral

Naiv-ausgefuchster Prolo-Charme: Jella Haase als Chantal.
Naiv-ausgefuchster Prolo-Charme: Jella Haase als Chantal.(c) Constantin Film)
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Der dritte Teil von "Fack ju Göhte" übertritt noch konsequenter die Grenzen des guten Geschmacks als seine Vorgänger. Ein Vergnügen. Für manche.

Angenommen, Sie fahren mit der U-Bahn und schräg gegenüber steht eine Horde Jugendlicher: die Mädchen mit glitzernden Plateauschuhen und quietschbunten Ohrringen, die Burschen im Muskelshirt, und alle hören so laut Musik, dass es durch ihre Kopfhörer dröhnt. Oder: Angenommen, Ihnen kommen auf der Straße Teenager entgegen, die den ersten Schultag mit einem geklauten Einkaufswagen feiern: Die Mädchen sitzen drin, die Burschen schieben, es ist ein Gekreische und Gejohle, dann fällt der Wagen um. Angenommen, Sie müssen an der Kinokasse mithören, wie sich solche Jugendliche in einer Mischung aus Denglisch, „Ej!“, und „Kanakendeutsch“ über die Party letzte Nacht unterhalten.

Noch durchgedrehter als die Teile davor

Wenn Sie jetzt das Bedürfnis haben, die Straßenseite zu wechseln oder den Waggon, wenn Sie auch nur unangenehm berührt den Kopf schütteln über Ihre Altersgenossen (wenn Sie jung sein sollten) oder über die Jugend von heute (wenn Sie selbst nicht mehr dazu zählen), dann bleiben Sie bitte dem Teil drei von „Fack ju Göhte“ fern. Teil eins und Teil zwei natürlich auch. Denn man muss, egal, wie alt man ist, Jugendliche wirklich mögen oder zumindest bereit sein, es zu tun, man muss den Exzess verstehen und den Frust, ihren schlechten Humor ertragen und ihre Klugheit erkennen, um sich in diesen eineinhalb Stunden zu unterhalten.

Der dritte Teil des Films ist, kaum hielt man das für möglich, noch durchgedrehter als die ersten beiden: Diesmal soll die Goethe-Gesamtschule geschlossen werden, unter anderem, weil Herr Müller, der Lehrer, der eigentlich ein Knacki ist, sich auch vor dem Schulinspektor danebenbenimmt. Er wird beim Rauchen auf dem Klo erwischt. Und seine Klasse? Setzt die Schule unter Wasser. Unter rot eingefärbtes Wasser, das aus der Sprinkleranlage kommt. Der errötete Inspektor ist empört und setzt einen Kompetenzencheck für die Klasse an. Wie soll das gehen? Bei einem Lehrer, der selbst nicht weiß, dass es von „Faust“ einen zweiten Teil gibt? Jedenfalls versucht Herr Müller, seine Schützlinge zu motivieren, ihnen zu vermitteln, dass ihnen die Welt offensteht und sie nicht nur zum Kanalräumer taugen. „Ja, wir schaffen das“, sagte schon Bob der Baumeister.

Uschi Glas hat wieder ihren köstlichen Auftritt als Bissgurn vom Dienst, Direktorin Katja Riemann schnüffelt zur Beruhigung am Uhu-Stick, Chantal, Chanti genannt, wird von Jella Haase wieder mit umwerfend naiv-ausgefuchstem Prolo-Charme gespielt. Elyas M'Barek ist cool, Sandra Hüller („Toni Erdmann“) als seine Komplizin noch cooler. Und auch, wenn manches kaum auszuhalten ist (muss sich der sensible Rüpel Danger im Museum wirklich aufs Kunstklo setzen?), freut man sich, dass Bora Dağtekin (Drehbuch und Regie) auch Nebenfiguren mit Liebe gezeichnet hat: Etwa den blonden Unterstufler mit der Superheldenmaske oder die suizidale Einserschülerin, die sich via Chat mit anderen zum Selbstmord verabredet.

„Fack ju Göhte“ lässt sie zu Wort kommen, man darf über sie lachen und sie mögen, und am Ende haben Jugendliche, die diesen Film gesehen haben, vielleicht gelernt, dass man zusammenhalten muss und dass Anstrengung sich lohnt, immerhin können die Szenen, in denen die faule Truppe so richtig stuckt, Lust darauf machen. Und die Erwachsenen haben vielleicht gelernt, nicht allzu vorschnell zu urteilen. Und wenn wir das nächste Mal ein paar 17-Jährige beobachten, die mit einem Einkaufswagen umkippen und dabei schrecklich lachen, dann lachen wir mit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2017)

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