Django und die swingenden Nazis

„In Paris lässt man Ihnen jede Freiheit, in Deutschland geht’s anders zu. Schluss mit der Negermusik“ – der unpolitische Django Reinhardt (Reda Kateb, l.) lavierte in der NS-Zeit zwischen Gehorsam und Revolte.
„In Paris lässt man Ihnen jede Freiheit, in Deutschland geht’s anders zu. Schluss mit der Negermusik“ – der unpolitische Django Reinhardt (Reda Kateb, l.) lavierte in der NS-Zeit zwischen Gehorsam und Revolte.(c) Weltkino
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Zu Hitler fiel ihm nur „mieser Schnurrbart“ ein: Das Biopic „Django – Ein Leben für die Musik“ zeigt den Jazzweltstar Django Reinhardt in Zeiten der Nazi-Tyrannei.

Das Präludium zur eigentlichen Handlung beginnt mit schönen Bildern in einem Wald in den Ardennen. Schimmel und Rappen weiden auf einer stimmungsvoll verrauchten Lichtung. Am Lagerfeuer singt ein alter Sinto Wehmütiges. Um ihn verstreut lagert die Sippe. Dann peitschen Schüsse, und aus ist es mit der Zigeunerromantik. Schnitt. Wir sehen Reda Kateb als Django Reinhardt an der Seine fischen. An der Angel hängt ein kleiner Wels. „Sie haben schöne Schnurrbärte“, sagt er zu seinem Agenten, der ihn wegzerrt. Reinhardt muss ins Konzert. Im vollen Theatersaal sitzen auch vereinzelt Nazi-Offiziere. Der Film spielt im von Deutschen besetzten Frankreich von 1943.

Reinhardt, der heute als einer der zwei, drei wesentlichen Gitarrenstilisten des Jazz gilt, spielt immer noch mit seinem Ensemble Quintette de Hot Club de France vor vollen Häusern. Der unnachahmliche Spielstil des in Belgien geborenen Gitarristen Reinhardt war nicht nur einer künstlerischen Vision, sondern auch einer Behinderung zu verdanken. Im Wohnwagen seiner Eltern wurde der in seiner Kindheit nomadisierende Reinhardt bei einem Brand schwer verletzt. Danach konnte er nur noch zwei Finger seiner Griffhand vollständig bewegen. Er wurde dennoch schon in seiner Kindheit zur Banjo-Sensation, danach zum Jazzweltstar. Darsteller Ketab, der ein Jahr Gitarrenunterricht für diese Rolle genommen hat, spielt das ziemlich authentisch zur Musik des Rosenberg-Trios, das Klassiker aus Reinhardts Repertoire für den Soundtrack neu aufgenommen hat. „Nuages“, „Blues Clair“ begeistern auch einzelne im Saal sitzende Nazi-Offiziere.

Paris, „das Bordell unserer Armee“

Dabei war der Swing im Dritten Reich verpönt, später sogar verboten. Der Konflikt um Reinhardt, den die Nazis auf Tour in Deutschland sehen wollen, wird zu Beginn von „Django – Ein Leben für die Musik“ deutlich, als ein Nazi-Offizier Reinhardt mit den Bedingungen konfrontiert, unter denen er in Deutschland spielen soll. „In Paris lässt man Ihnen jede Freiheit, weil es das Bordell unserer Armee ist. In Deutschland geht's anders zu. Sie müssen ein bisschen runterdrehen. Schluss mit der Negermusik, den flotten Rhythmen, den Breaks und dem Blues.“

In der Folge veranschaulicht Regisseur Comar über 117 Minuten die inneren und äußeren Kämpfe eines Musikers in Zeiten der Tyrannei. Er tut es in erwartungsgemäß viel zu schönen, fernsehgerechten Bildern. Wie in Biopics üblich, wurde alles Biographische, das stören könnte, gestrichen. Eine blonde Geliebte namens Louise de Klerk, von Cécile de France sehr sinnlich angelegt, wurde erfunden. Alles im Dienste einer Dramaturgie, die letztlich doch schleppend bleibt. Reinhardt laviert glaubwürdig zwischen Gehorsam und Revolte, zwischen Fürsorge für seine Sippe und individuellem Überlebensdrang. „Das ist nicht mein Krieg. Das ist ein Gadjo-Krieg. Zigeuner führen keinen Krieg.“ Die auf 1943 abgestimmte Sprache im Film wird wohl manchen Political-Correctness-Jünger erschrecken. „Tzigane“, heißt es da, wenn von Sinti und Roma die Rede ist. Und „Gadjo“, wenn es um jene geht, die nicht diesen Volksgruppen angehören. Ein politischer Mensch war Reinhardt keiner. Zu Hitler fiel ihm nicht mehr ein als „mieser Schnurrbart“.

Auf Nazi-Direktiven wie „Geben Sie Dur-Harmonien den Vorzug“ oder „Vermeiden Sie Allegro- und Presto-Rhythmen“ antwortet Reinhardt ausweichend mit einem „Ach, ja?“. Der Nazi fühlt sich dem autodidakten Weltmusiker überlegen. „Sie haben wohl keine Ahnung, wovon ich hier rede. Musikkenner?“ Reinhardts Replik ist golden: „Nein. Aber die Musik kennt mich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2018)

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