Diese Gangster meinen es nur gut

Die Sehnsucht nach einem Neustart treibt Ricky (Moritz Bleibtreu) ins alte Verbrechen.
Die Sehnsucht nach einem Neustart treibt Ricky (Moritz Bleibtreu) ins alte Verbrechen. (c) Constantin Film
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Im Gangsterfilm "Nur Gott kann mich richten" stürzt Özgür Yıldırım seine Figuren in einen blutigen Teufelskreis der hehren Verbrechen. Ziemlich schematisch, aber packend.

Der Richter kann mich zwar verurteilen, aber/nur Gott kann mich richten/keiner von euch“, singt der Rapper Xatar im Titelsong von Özgür Yıldırıms Film „Nur Gott kann mich richten“. Aus welcher konfessionellen Perspektive sich die Figuren über das Gesetz stellen, ist dabei egal: Von Allah ist im Rap die Rede, auf dem Rücken des Protagonisten prangt ein riesiges Jesus-Konterfei. Dabei geht es hier gar nicht um Religion, auch nicht darum, wie Menschen ihr Schicksal in die Hände einer größeren Macht legen – dazu sind sie nämlich viel zu egoistisch. Es geht, wenn man so will, um eine Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Was Gott wohl dazu sagt?

Der Ganove Ricky (Moritz Bleibtreu, der auch produziert hat) ist nach einem misslungenen Überfall im Gefängnis gelandet. Als er freikommt, will er ein neues Leben beginnen – nur fehlt ihm dazu das nötige Startkapital. Zu verlockend ist daher das Angebot seines alten Freunds Latif (Kida Khodr Ramadan), einen allerletzten, angeblich völlig risikofreien Coup zu wagen: Eine arrangierte Drogenübergabe zum Schein stürmen und sich mit der Ware davonmachen. Auch Rickys sensiblerer Bruder Rafael (Edin Hasanovic) lässt sich in das Unterfangen ziehen. Der vorgetäuschte Raub geht tatsächlich mehr oder weniger glatt – nur dann geraten die beiden Brüder mit den zweieinhalb Kilo Heroin im Gepäck in die Verkehrskontrolle der Polizistin Diana (Birgit Minichmayr als toughes Aufstehweibchen), die ein paar Tausender vom Schwarzmarkt selbst ganz gut gebrauchen könnte: Denn zu Hause wartet ihr krankes Kind auf ein Spenderherz . . .

Deutsche Gangsterstoffe scheinen derzeit nicht zuletzt dank der ausgezeichneten Serie „4 Blocks“, die sich um arabische Clans in Neukölln dreht, beliebt zu sein. Schon dort spielte Kida Khodr Ramadan sehr eindringlich eine Hauptrolle, die zweite Staffel wird Yıldırım – neben Oliver Hirschbiegel – inszenieren. Und auch in „4 Blocks“ sorgen Laiendarsteller, etwa Rapper aus dem porträtierten Milieu, für Authentizität.

„Salam alaikum, Alter!“

In „Nur Gott kann mich richten“ sind es etwa Xatar und Ssio, die nicht nur eine Art Gangsta-Rap-Konzeptalbum zum Film komponiert haben, sondern auch kleine Rollen belegen – neben versierten Schauspielprofis wie Bleibtreu, Minichmayr und Peter Simonischek, der den dementen Vater der kriminellen Brüder spielt.

Die bewegen sich durch ein Frankfurt, das härter und düsterer kaum sein könnte: Vermüllte Hinterhöfe, halbseidene Automatenlokale, verrauchte Shisha Bars. Deutscher Straßenslang trifft hier auf arabische Floskeln – „Salam alaikum, Alter!“ –, gnadenlose Unterweltfürsten herrschen über ihre Söldner. Die Protagonisten des Films aber sind anders, sie sind mehr „kleine Männer“ als Berufsgangster. Sie tun Falsches, um (wieder) alles richtig zu machen, ihr unmoralisches Verhalten dient stets einem guten Zweck: ein lebensrettendes Organ, eine neue Existenz im warmen Süden, eine Ballettschule eröffnen mit der geliebten Freundin, die strippen muss, um über die Runden zu kommen. So schematisch die Situation, so konstruiert der Plot, so konsequent setzt Yıldırım ihn um – und stürzt seine Figuren in einen blutigen Teufelskreis der hehren Verbrechen. Auch davon rappt Xatar lustvoll, gottesfürchtig klingt das allerdings nimmer: „Kugelhagel krachen ein in deinen Schädel . . .“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2018)

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