Nachruf

Miloš Forman: Er liebte und filmte kluge Narren

Miloˇs Forman schuf Kinoklassiker wie „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Amadeus“. Für beide Filme gewann er den Oscar. Er starb mit 86.
Miloˇs Forman schuf Kinoklassiker wie „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Amadeus“. Für beide Filme gewann er den Oscar. Er starb mit 86.APA/AFP
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Der aus Tschechien stammende US-Regisseur Miloš Forman, ein Anwalt der Widerständigen, der „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Amadeus“ drehte, ist 86-jährig gestorben.

Es gibt diese Filmbilder, die einem ewig im Kopf bleiben. Eines davon ist Jack Nicholson in „Einer flog über das Kuckucksnest“. Nicholson-Fans, die keinen Film mit dem Star auslassen, argwöhnen, dass der Star dieses dreckige, triumphierende und irre Zähneblecken seither jedem seiner Regisseure untergejubelt hat. Es ist einfach ein Klassiker wie dieser Film aus dem Jahr 1975, der vor dem Hintergrund der Umbrüche in der Psychiatrie gedreht wurde.

Randle Patrick McMurphy soll eine Strafe wegen Verführung von Minderjährigen absitzen, um es bequemer zu haben, täuscht er eine psychische Erkrankung vor und bringt die Patienten auf der Station, die dort unter einer sadistischen Oberschwester leiden, gehörig durcheinander. Nebenbei wird heftig Kritik geübt am traditionellen Umgang mit Kranken, denen hauptsächlich Medikamente verabreicht werden. „Einer flog über das Kuckucksnest“ mag auch als Appell, sich selbst zu befreien, gesehen werden. Forman, 1932 im tschechischen Čáslav geboren, hatte eine schwere Kindheit, beide Eltern starben im KZ, als Bub musste er ihre Verhaftung durch die Gestapo mit ansehen. Verwandte und Freunde der Familie zogen ihn auf. Im Internat lernte er seine ersten Kinogötter kennen: Charlie Chaplin, Buster Keaton und John Ford. Eine gute und die damals typische Mischung: zwei schräge Humoristen und ein Westernfilm-Pionier.


Neue Welle. Anfang der Sechzigerjahre bildete sich die Neue Welle des tschechischen Kinos, orientiert am französischen, auf Wahrheit ausgerichteten und daher auch so benannten Cinema Verité. Auch unter dem Eindruck der Kriegsereignisse wollte man weg von den künstlich hergestellten Leinwand-Illusionen. Bereits Formans erster Spielfilm „Der schwarze Peter“ über einen rebellischen Teenager erregte Aufsehen, allerdings auch bei den kommunistischen Machthabern.

„Der Feuerwehrball“, in dem Forman deutlich Kritik an der dummen Funktionärskaste übte, wurde 1969 in der Tschechoslowakei verboten. Als die Sowjets 1968 den Prager Frühling niederschlugen, war Forman gerade in Paris. Sein tschechisches Studio behauptete, er habe das Land unerlaubt verlassen. Der Entzug der Staatsbürgerschaft war in den kommunistischen Zeiten ein probates Mittel, mit dem man versuchte, Leute kleinzukriegen.


Ausbürgerung. Nicht mit Forman. Er verließ Europa. 1975 bekam er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Widerständige Helden wurden fortan sein Hauptthema. Auch Wolfgang Amadeus Mozart war ein solcher. Die Verfilmung des Stückes „Amadeus“ von Peter Shaffer 1984 wurde ein Klassiker wie „Einer flog über das Kuckucksnest“. Der alte Antonio Salieri (F. Murray Abraham, grandios!), Liebkind in der italienisch geprägten Oberschicht des Habsburgerreiches, im Alter aber im Narrenhaus interniert, erzählt die Geschichte, seines großen Rivalen, des „Narren“ Mozart. Der Film mit Tom Hulce in der Titelrolle, ist einerseits eine Illustration der obszönen Bäsle-Briefe Mozarts, andererseits beleuchtet er plastisch dessen aufreibenden Kampf gegen die Hofkamarilla: Kaiser Joseph II. kommentiert Mozarts fantastische Kapriolen am Klavier, die seine Konkurrenten alt aussehen lassen, ironisch: „Zu viele Noten, Herr Mozart, zu viele Noten!“

Gehetzt von seinem Genius, noch mehr vom übermächtigen Vater Leopold, beschließt der Komponist sein Leben früh. Man sieht ihn bleich, entgeistert und abgezehrt die Noten zu seinem „Requiem“ kritzeln, das ein reicher Gönner bestellte. „Amadeus“ räumte mit manchen Stereotypen auf, so ist Mozart hier ein durchaus liebender Ehemann. Kritiker meinten zwar, ganz so sei es nicht gewesen, aber der Film wurde ein Welthit. Und nebenbei gab er der Ikone Mozart neue Impulse, wovon bis heute der österreichische Fremdenverkehr profitiert.

In Formans Absicht lag das nicht unbedingt. Über seinen Arbeiten hängen die alptraumhaften Szenarien seines Landsmannes, des Schriftstellers und Aktivisten Václav Havel, der den Einzelnen in kafkaesken Szenarien verstrickt zeigt. Achim Benning brachte Havels Stücke ins Burgtheater. Der spätere Präsident der Tschechoslowakei war mit Forman zur Schule gegangen.


„Valmont“. Weitere wichtige Filme Formans sind „Larry Flint – Die nackte Wahrheit“ (über den „Hustler“-Gründer), „Der Mondmann“ (über den Komiker Andy Kaufman) oder „Valmont“ nach den „Gefährlichen Liebschaften“ von Choderlos de Laclos, die das dekadente, skrupellose Treiben des Adels im vorrevolutionären Frankreich zeigen. „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Amadeus“ gewannen den Oscar. Interessant: Übers Theater und seinen Bruder, mit dem er backstage Operetten lauschte, kam Forman zum Film. Weil er nicht zum Militär wollte, floh er auf die Filmschule, das einzige Fach, in dem es Plätze gab, war bei den Drehbuchautoren. Eine seiner ersten Arbeiten galt der „Laterna Magica“, die es in Tschechien zu besonderer Blüte brachte, hier mischen sich Film und Theater zu einem wahrhaft illuminierten Spektakel. De Sica und Truffaut prägten Forman, hinterm Eisernen Vorhang wirkten Idole doppelt so stark. Er hatte auch ein sicheres Gespür für glamouröse Besetzungen, in einem seiner letzten Filme, „Goyas Geister“, spielten Natalie Portman und Javier Bardem.

Mit 86 ist Miloš Forman, ein Anwalt des Individualismus, nun nach kurzer Krankheit gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2018)

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