"Blind ermittelt": Fernsehen, groß wie Heimkino

Blind ermittelt - Die toten M�dchen von Wien
Blind ermittelt - Die toten M�dchen von Wien(c) ORF (Philipp Brozsek)
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Jano Ben Chaabane hat mit „Blind ermittelt“ seinen ersten Langfilm gedreht: Weniger überdreht als seine Arbeit bei „Joko & Klaas“, konventioneller als sein „Culpa“.

So war der Showdown nicht geplant. Aber Jano Ben Chaabane, der mit „Blind ermittelt“ seinen ersten Langfilm drehte, fand das Ende im Originaldrehbuch „zu platt“. Also überlegte er sich eine Story mit einer perfiden Mischung aus Quälerei und Befriedigung, gepaart mit einem krankhaft übersteigerten Interesse an „Kunst“ – ein schwer erträglicher, jedenfalls aber einzigartiger Schluss. Damit konnte der junge Regisseur, der im vergangenen Jahr mit der Miniserie „Culpa“ (13th Street) auf sich aufmerksam machte, ARD und ORF überzeugen – und bekam den Auftrag. Dabei ist Chaabane Autodidakt. „Ich bin ins Fernsehgenre gerutscht“, erzählt er im Gespräch mit der „Presse“. Eigentlich wollte er an der Filmhochschule studieren. „Ich wurde aber nicht angenommen, also habe ich Kurzfilme gedreht.“ Und so landete er im Zentrum der deutschen TV-Unterhaltung – bei „Joko & Klaas“ – und arbeitete mit an „MTV Home“, „Neo Paradise“, „Circus Halligalli“ und „Duell um die Welt“. „Ich habe dort alles gemacht: Ich war Autor, Kreativer, Regisseur.“

Mit Joko, Klaas und Olli Schultz

Wie man sich die Ideenproduktion bei diesen Entertainment-Stars vorstellen kann? „Natürlich ist nicht alles spontan, was da passiert. Dahinter steht ein großes Team an Kreativen, die das mit den beiden ausdenken und sich bemühen, dass es erzählerisch die Qualität hat, die es eben hat. Aber die beiden sind dabei und entscheiden mit.“ Dass Chaabane für schrägen Humor etwas übrig hat, beweist auch die Tatsache, dass er 2015 für Pro 7 die Abenteuershow „In the Box“ realisierte, für die sich Musiker Olli Schulz in einer Holzkiste an sehr gewöhnungsbedürftige Orte bringen ließ (etwa zu einer Pornofilm-Produktion oder in eine Justizvollzugsanstalt). „Blind ermittelt“ ist etwas anderes. Weniger überdreht als die Shows von „Joko & Klaas“. Auch konventioneller als „Culpa“, wo ein Beichtvater in jeweils nur 25-minütigen Episoden versucht, Verbrechen zu verhindern (in der Hauptrolle: Stipe Erceg, der auch in „Blind ermittelt“ als Bösewicht zu erleben ist). Vielmehr ist es ein Format, das in den Hauptabend der öffentlich-rechtlichen Sender passen muss – und deshalb neben Philipp Hochmair (dem intriganten Minister aus „Vorstadtweiber“) für das österreichische Publikum auch einen dem deutschen Serienpublikum besser bekannten Star aufbietet: Andreas Guenthe („Polizeiruf 110“).

Aufgewachsen mit Bob Marley

Chaabane liebt Musik. Das kann man in „Blind ermittelt“ erleben, wo Jazzmusik und ein sehr spezieller Vinyl-Rekorder eine Schlüsselrolle spielen. „Ich erlebe Musik aber im visuellen Kontext: Ich habe dazu immer Bilder im Kopf, egal ob Klassik, Jazz oder Pop. Mein Vater ist Tunesier, also war ich in den Oster- und in den Sommerferien immer dort: So bin ich mit arabischer Musik und mit Bob Marley groß geworden.“ Seit der Revolution sei er nicht mehr in Tunesien gewesen, erzählt Chaabane. Aber diese Wurzeln prägen ihn: „Wenn man in zwei Kulturen aufgewachsen ist, dann sieht man die Welt anders: Man hat, ohne dass man sich das bewusst durchdenkt, ein viel größeres Verständnis dafür, wie Menschen aus anderen Kulturen denken. Man hat Respekt vor einer anderen Denkweise, einer anderen Erziehung, einer anderen Religion.“
2006 kam Chaabane nach Berlin. Für seinen 90-Minuten-Erstling (der, falls er beim Publikum ankommt, eine Reihe werden soll) hat er in Wien gedreht. „Das war total schön. Ich liebe es!“, sagt er.

Neben der außergewöhnlichen Story hat er auch eine spezielle Bildsprache gesucht: „Ich liebe möglichst große Bilder und eher eine ruhige, stilisierte Kamera. Ich versuche, alles leicht zu überhöhen, um damit auch die Freiheit zu schaffen, Dinge behaupten zu können, die das Publikum sonst vielleicht nicht ,kaufen‘ würde.“ Er schaue zu Hause auch nicht auf einem normalen TV-Gerät, sondern über einen Beamer auf einer Leinwand. „Ich habe mir ein Heimkino eingerichtet. Ich schaue nur noch relativ wenig lineares Fernsehen. Aber wenn, dann ist es immer wieder ein Event. Das ist etwas sehr Schönes – und anders als beim Streamen.“

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