Was Kinos und Büchereien gemeinsam haben

(c) Michaela Bruckberger
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Die Retrospektive „Die Bibliothek im Film“ läuft noch bis 17. Juni im Wiener Metro-Kino.

„Wenn ich wissen will, was das Kino ist, muss ich eine Bibliothek aufsuchen; wenn ich wissen will, was eine Bibliothek ist, muss ich ein Kino aufsuchen“, sagte der deutsche Kultur- und Filmkritiker Georg Seeßlen – zu Beginn einer Retrospektive, die beides verbindet: „Die Bibliothek im Film“, ein Gemeinschaftsprojekt des Filmarchivs Austria und der Österreichischen Nationalbibliothek.

Oft seien die Filmemacher den neuen Wellen – im Programm vertreten durch Bibliotheksfilme von Truffaut, Rohmer, Coppola und Wenders – direkt aus der Bibliothek hinter die Kamera gekommen, meinte Seeßlen. In beiden Orten, in der Bibliothek und im Kino, gelte ein relatives Schweigegebot. Und beide wecken derzeit Nostalgie, weil Bücher und Filme im Begriff seien, in den digitalen Raum abzuwandern. Wobei die Sorge nie allein der Architektur gelte, sondern auch dem sozialen Raum. Inzwischen könne jede und jeder alles sehen, „nur tun wir es nicht mehr gemeinsam“, so Seeßlen.

In Frank Darabonts Melodram „Die Verurteilten“ (15. 6, 18 Uhr) sieht man die Gefangenen nicht nur allein hinter Gittern, sondern ebenso häufig mit anderen in der Gefängnisbücherei, deren Errichtung der Protagonist erzwingt. Dort richtet er sich menschlich wieder auf. Auch Hughes' „Breakfast Club“, Fassbinders „Martha“ und Gilliams „Brazil“ verbinden Bibliothek und Gefangenschaft. Und ein Bogen vom Mittelalter in die (fiktive) Zukunft lässt sich von „Der Name der Rose“ zu „Fahrenheit 451“ spannen: Dort verriegeln Aufklärungsfeinde die Bibliothek, hier verbrennen anti-intellektuelle Faschisten alle Bücher. (m. t.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2018)

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