Schöner sterben: Euthanasie im Luxus-Resort

Kann der nahende Tod diese Schwestern (Eva Green, Alicia Vikander) versöhnen?
Kann der nahende Tod diese Schwestern (Eva Green, Alicia Vikander) versöhnen? (c) Jürgen Olczyk/ Filmladen
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„Ich wollte es wunderschön machen“, sagt die schwedische Regisseurin Lisa Langseth der „Presse“: In ihrem Drama „Euphoria“ erzählt sie von zwei entfremdeten Schwestern in einer paradiesisch anmutenden Sterbeklinik. Ab heute im Kino.

Es ist ein kleiner Garten Eden, in dem die Menschen hier ihre letzten Schritte machen. Mit einem Krankenhaus oder Hospiz hat der Ort, zu dem in Lisa Langseths Film „Euphoria“ betuchte Leute zum Sterben fahren, wenig zu tun. Weder Pflegebetten noch Arztkittel gibt es hier, stattdessen die flirrende Schönheit eines barocken Schlossareals. Kranke und Lebensmüde meditieren am Teich voller Seerosen, lassen sich vom omnipräsenten Personal in Kutten wie aus einem Spa-Resort Pfannkuchen machen und lauschen abends dem Streichquartett im Pavillon. Gefühlt jeder zweite Schwenk über das grüne Areal wird romantisch-sommerlich von Blendenflecken geziert, sogar das nächtliche Glockengeläut, das die Besucher zu ihrem allerletzten Spaziergang ruft, fügt sich in die Idylle.

Auch die krebskranke Emilie (Eva Green) hat bereits einen Sterbetermin, als sie mit ihrer nichts ahnenden Schwester (Oscarpreisträgerin Alicia Vikander, die einst von Langseth entdeckt wurde) im abgelegenen Schlosspark in einem ungenannten europäischen Land ankommt. „Ich will am Amazonas drehen“, hatte die schwedische Regisseurin Langseth zu ihren Produzenten gesagt, als das Drehbuch für ihr Euthanasiedrama fertig war. Letztlich wurde das bayerische Schloss Dennenlohe als Drehort ausgewählt. „Mir war viel wilde Natur wichtig. Die Natur will leben und wachsen. Diesen Kontrast fand ich interessant“, sagt Langseth im Interview. „Es wäre klischeehaft, dieses schwere Thema in einer harten, dunklen Umgebung anzusiedeln. Das würde alle Fragen töten. Ich wollte in die andere Richtung gehen, es wunderschön machen.“

Die 43-jährige Langseth hat Philosophie studiert und vor ihrer Filmkarriere Theaterstücke geschrieben und inszeniert. Sie gilt in Schweden als experimentierfreudige Regisseurin ohne Scheu vor schwierigen Themen. Die Debatte um Sterbehilfe hat sie schon als Studentin beschäftigt. „Ich war entsetzt“, erzählt sie. „Aus schwedischer Perspektive ist das völlig unmenschlich. Ich fand es pervers und unheimlich.“ Im Lauf ihrer Recherchen hat sich ihre Meinung geändert: „Man darf das nicht verurteilen. Man kennt den Schmerz nicht, den man nie hatte.“

Um moralische Fragen geht es aber ohnehin nicht in ihrem Film. Im Zentrum der Geschichte steht die Beziehung der zwei entfremdeten Schwestern, die einander jahrelang nicht gesehen haben und ihre letzte Begegnung für schmerzliche Vergangenheitsbewältigung unter der Mediation einer „persönlichen Begleiterin“ (Charlotte Rampling) nutzen: Auf der einen Seite ist da die gefühlsbetonte Emilie, die in Selbstmitleid zu baden pflegt und ihrer Mutter, die sich, vom Vater verlassen und in Depressionen verfallen, schließlich umgebracht hat, nie von der Seite gewichen ist. Auf der anderen Seite die Künstlerin Ines, die Schwächen verabscheut und sich die kaputte Familie lieber gleich vom Leib gehalten hat – was Emilie ihr nicht verziehen hat. Im Angesicht des Todes sucht diese ein letztes kleines Stück Familienglück in Form einer Aussprache mit Ines – die will aber am liebsten weg aus dem deprimierenden Paradiesgarten.

Kann man Würde mit Geld kaufen?

Im Grunde ist „Euphoria“ eine Abhandlung über Freiheit und Autonomie am Lebensende: Was kann man sich gönnen, wenn einem keine Zeit mehr vergönnt ist, wie sehr darf man in solch einer Extremsituation die eigenen Wünsche über andere stellen? Und: Wie viel Würde kann man sich mit Geld kaufen? Während der Film über das hübsche Sterbedomizil mäandert, zeigt er die Schrullen reicher Sterbekandidaten, die via Helikopter in den ruhigen Garten einfallen: Einer bestellt sich für seinen letzten Abend eine Rockband und ein Feuerwerk, eine Nudistin macht ihre letzte Woche auf Erden zu einer Art Performancekunstprojekt. „Man kann sich im Leben alles aussuchen, wenn man das Geld dafür hat“, sagt Langseth.

Ob es solche Luxus-Euthanasie-Resorts wirklich gibt? „Nicht, dass ich wüsste“, sagt sie. „Aber es passiert so viel unter der Oberfläche. In vielen Ländern ist Sterbehilfe verboten, aber es gibt geheime Organisationen, die sie trotzdem anbieten. In Südamerika zahlen manche Menschen viel Geld, um auf seltsame Art zu sterben.“

ZUR PERSON

Lisa Langseth, 1975 in Stockholm geboren, begann ihre Karriere als Theaterregisseurin und Dramatikerin. „Euphoria“ ist ihr dritter Film – und auch der dritte, in dem sie dem schwedischen Hollywoodstar Alicia Vikander („The Danish Girl“, „Tomb Raider“) eine Hauptrolle gab. Vikander war 19 und völlig unbekannt, als Langseth sie für ihr Liebesdrama „Die innere Schönheit des Universums“ (2010) castete. „Ich dachte damals nicht, dass ich einen Superstar kreiere“, so Langseth. „Euphoria“, auf Englisch gedreht, wurde auch von Vikander koproduziert. [ Filmladen ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2018)

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