Jamie Lee Curtis: „Auf Lügen folgt Anarchie“

Dreht lieber Komödien als Horrorfilme: „Scream-Queen“ Jamie Lee Curtis.
Dreht lieber Komödien als Horrorfilme: „Scream-Queen“ Jamie Lee Curtis.REUTERS
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Die amerikanische Schauspielerin Jamie Lee Curtis spricht über ihren neuen Film „Halloween“, ihre persönlichen Ängste und die Geschichte hinter der Michael-Myers-Maske. Außerdem verrät sie, wie es dazu kam, dass sie in einer weiteren Folge der Horrorreihe mitspielt.

Er ist zurück: 40 Jahre nachdem Michael Myers im beschaulichen Städtchen Haddonfield erstmals für Angst und Schrecken sorgte, ist der stumme Killer mit der markanten Maske wieder unterwegs. Mit der simpel „Halloween“ (seit Freitag im Kino) betitelten Wiederbelebung des Horrorfranchise knüpft Regisseur David Gordon Green an deren intensiven Auftakt an. Die Vorzeichen standen ohnehin gut: Nicht nur „Halloween“-Erfinder John Carpenter ist als ausführender Produzent und mit seiner prägenden Filmmusik mit an Bord, auch Jamie Lee Curtis muss sich als Laurie Strode wieder ihrem Peiniger stellen. Curtis im Interview.

Warum machen Sie sich eigentlich so rar?

Jamie Lee Curtis: Ich lebe in Los Angeles und habe zwei Kinder, die ich großziehen musste. Da reist man nicht so viel. Wir waren mit der Familie einmal in Wien, aber ich muss sagen, dass es mir jetzt in Deutschland auch außergewöhnlich gut gefällt. Ich bin froh, wieder hier zu sein.

Und das mit einem Film, dessen Original 40 Jahre zurück liegt.

Völlig verrückt, oder?


Wie hat man Sie überzeugt, einen weiteren „Halloween“-Film zu drehen? Sie hatten das immer abgelehnt.

Ich dachte auch, dass ein neuer „Halloween“-Film so ziemlich das Letzte wäre, was ich machen würde. Im Leben hätte ich nicht daran gedacht. Aber letzten Juni, während ich mit meinem Mann im Urlaub war, rief mich mein Patensohn Jake Gyllenhaal an. Wir sind heute eher Freunde und Kollegen, auch wenn ich seit seiner Geburt seine Patentante bin. Er erzählte, dass er mit Regisseur David Gordon Green gerade „Stronger“ gedreht hätte, dass es fantastisch gewesen sei und dass ich unbedingt David treffen müsse. Dieser trat dann mit einer neuen „Halloween“-Vision an mich heran. Ich wollte gar nichts hören, versprach aber, sein Drehbuch zu lesen. Und das war so fantastisch, dass ich sofort zusagte.


Wie fühlt es sich an, nach so langer Zeit wieder in dieselbe Rolle zu schlüpfen?

Meine Figur hat sich mit der Zeit sehr verändert. Laurie Strode ist jetzt ein anderer Mensch. Mich hat interessiert, was ein Trauma mit einem Menschen macht. Lauries Tochter rennt davor weg, Laurie dagegen stellt sich ihm täglich und ist bereit, den Kampf wieder aufzunehmen. Sie geht beispielsweise jeden Tag zum Gefängnis, in dem der Mörder sitzt.


Es gab auch einige „Halloween“-Filme, die ohne Sie auskommen mussten.

Der allererste „Halloween“-Film 1978 hat mir in Hollywood alle Türen geöffnet. Er hat mir eine Karriere ermöglicht, ihm verdanke ich mein kreatives Leben. Dass ich im Sequel „Das Grauen kehrt zurück“ mitspiele, war ich dem Publikum schuldig. Dann kamen vier Verfilmungen, mit denen ich nichts zu tun hatte. Erst 1998, also 20 Jahre nach dem Original, schlug ich eine Fortsetzung vor, „Halloween H20“. Und diese war so geschrieben, dass ich beim Nachfolger, „Halloween Resurrection“, wieder mit an Bord sein musste. Zumindest für zehn Minuten, meine Rolle war klein gehalten. Das war's, alle anderen Filme hatten keinen Bezug zu mir. Erst jetzt, 40 Jahre nach dem Original, kam wieder ein Drehbuch, das mich restlos überzeugt hat.


Feiern Sie selbst eigentlich noch Halloween? Oder reichen Ihnen die Filme?

Natürlich wurde bei uns Halloween immer gefeiert, ich habe doch zwei Kinder. Ich kenne keine Mutter, die in ihrem Leben so viele verschiedene Halloween-Kostüme gebastelt hat wie ich. Inzwischen bin ich ein Ass an der Nähmaschine. Mein Sohn Thomas liebt obskure Figuren aus Computerspielen, also musste ich ihm immer passende Kostüme zu seinen Games schneidern.


Was machte die „Halloween“-Filme Ihrer Meinung nach so erfolgreich?

Schwer zu sagen. Ich glaube, dass Regisseur John Carpenter mit dem Maskenmann Michael Myers eine Figur erschaffen hat, die einem wirklich Angst einjagt: Er ist ein Mensch, aber völlig unmenschlich. Man kann ihn weder verstehen noch durchschauen. Er spricht nicht, bewegt sich langsam, zeigt keine Emotionen – aber er ist kein Roboter. Niemand weiß, warum er tötet, und keiner kann ihn aufhalten. Ich weiß nicht, was sich in der Psyche von John Carpenter und der Drehbuchautorin Debra Hill abspielt, das ihnen ermöglichte, diese Horrorfigur zu erfinden. Aber sie sprechen damit Ängste an, die in jedem schlummern.


Allein wegen der Maske wird einem angst und bange . . .

Die Hintergrundgeschichte dazu ist fast aberwitzig: Die Gummimaske von Michael Myers ist eine Maske aus einem ganz normalen Kostümladen. Es war eine billige „Star Trek“-Maske von William Shatner als Captain Kirk. Auf dem Set 1978 kam jemandem spontan die Idee, dass unser Horrortyp eine Latexmaske trägt, also wurde jemand zum nächsten Kostümladen geschickt. Und da gab es nur besagte Shatner-Maske. Sie wurde nur schnell weiß übermalt und die Haare wurden entfernt. Fertig. Aber der Grusel, den diese Maske auslöst, scheint bis heute zu wirken.

Warum sind Menschen überhaupt von Horrorfilmen fasziniert?

Keinen Schimmer. Und ich muss es auch nicht wissen. Mein Job ist es, eine Figur zu spielen, die Angst hat. Privat bin ich gar kein Fan von Horrorfilmen. Meine Mutter, Janet Leigh, hat Horrorfilme sogar gehasst.


Wie bitte? Janet Leigh verdanken wir die Duschszene in Hitchcocks „Psycho“! Und trotz Ihrer Abneigung haben Sie beide in Horrorfilmen mitgespielt?

Ich mag gut gemachte Komödien viel lieber.


Wie „Ein Fisch namens Wanda“ . . .

Auch mein Mann, Christopher Guest, hat ein paar tolle Komödien gedreht. Ich liebe es zu lachen. Mir gefallen aber auch tolle Dramen wie „Call Me By Your Name“ oder der neue „A Star Is Born“. Der erste und zweite Teil von „Der Pate“ sind die besten Filme, die je gemacht wurden. Die gesamte Palette menschlicher Dramen in einer einzigen Familie – das ist spannend, und die Schauspieler waren fantastisch.


Was macht Ihnen persönlich Angst?

Lügner machen mir Angst. Menschen, die einem etwas vormachen. Wenn man eine Lüge nur oft genug wiederholt, fangen die Leute an, die Lüge zu glauben. In meinem Land gibt es mächtige Menschen, die mit Lügen die Massen manipulieren. Wenn wir als Gesellschaft die Macht der Wahrheit verlieren, wenn Worte nichts mehr bedeuten, ist die ganze Zivilisation in Gefahr. Auf Lügen folgt Anarchie. Wem oder was soll man noch glauben, wenn sich die Wahrheit nicht mehr herausfinden lässt? Wir leben in einer Zeit, in der überall Menschen an die Macht kommen, die das eine sagen und etwas völlig anderes tun.

Steckbrief

1958
wurde Jamie Lee Curtis in Los Angeles geboren.

1978
feierte sie mit „Halloween – Die Nacht des Grauens“ ihren internationalen Durchbruch als Schauspielerin. Es folgten eine Reihe von Horrorfilmen und sie galt fortan an als „Scream-Queen“.

1995
wurde sie für ihre Rolle in „True Lies – Wahre Lügen“ an der Seite von Arnold Schwarzenegger mit einem Golden Globe ausgezeichnet. Zu ihren weiteren Erfolgsfilmen zählen unter anderem „Ein Fisch namens Wanda“ und „My Girl – Meine erste Liebe“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2018)

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