Michael Myers meuchelt wieder

Der gealterte Maskenkiller wird in „Halloween“ (2018) von James Jude Courtney, in einzelnen Szenen auch vom Originaldarsteller Nick Castle gespielt.
Der gealterte Maskenkiller wird in „Halloween“ (2018) von James Jude Courtney, in einzelnen Szenen auch vom Originaldarsteller Nick Castle gespielt.(c) Universal Pictures
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Die altgediente „Halloween“-Reihe rund um den maskierten Killer kehrt zur Gruselfesttagszeit in die Kinos zurück – und wirkt erstaunlich frisch. Weiterhin dabei: Jamie Lee Curtis.

Im Werbematerial scheint es sicher zu sein: Im neuen „Halloween“-Film kehre Maskenmörder Michael Myers „ein letztes Mal“ zurück. Ha! Selten so gelacht. Kenner der Filmreihe, die 1978 von John Carpenters gleichnamigem Horrorgeniestreich begründet wurde, wissen: Letzte Male gibt es darin nicht. Im Zuge zahlreicher Fortsetzungen wurde Killer-Ikone Myers auf jede nur erdenkliche Weise ins Jenseits befördert: niedergeknüppelt, von Kugeln durchsiebt, angezündet, in die Luft gesprengt. Doch Hollywood findet stets Gründe und Wege, ihn auszubuddeln und erneut auf die Pirsch zu schicken.

Dass die aktuelle Konjunktur von Retro-Remakes moderner Horrorklassiker („It“, „Pet Sematary“) irgendwann ein Wiedersehen mit Myers befördern musste, war klar; fraglich nur, wie es die Produzenten angehen würden. Früh schien ihr Bedürfnis durch, es allen recht zu machen: Hardcore-Fans und Verehrern des Originals, anspruchsvollen Genre-Exegeten und der jüngeren Laufkundschaft. Im Grunde unmöglich. Umso erstaunlicher, wie anschaubar das neue „Halloween“-Kapitel letztlich geworden ist.

Ähnlich wie in einigen älteren Teilen wird in „Halloween“ (2018) – dem elften Beitrag zur Gruselsaga! – versucht, Tabula rasa zu machen. Bewusst ignoriert werden alle bisherigen Transformationen, Erweiterungen und Neuauflagen der Myers-Mythologie–auch Rob Zombies eigenwillige Umdeutungen aus den Nullerjahren. Nur das Ursprungswerk zählt. Darin überfiel der Schlitzer mit der ausdruckslosen Captain-Kirk-Maske – ein Prototyp vieler „Slasher“-Antagonisten – aus heiterem Himmel seine Heimatstadt, Haddonfield, und terrorisierte am Kürbisfesttag arglose Teenager – darunter Laurie Strode (Jamie Lee Curtis).

Die jüngste Fortsetzung setzt 40 Jahre nach diesem Schreckensherbst an. Laurie, zum fünften Mal von Jamie Lee Curtis verkörpert, ist inzwischen Großmutter. Ihr Trauma hat sie jedoch nie verwunden, lebt abgeschieden hinter Drahtzäunen in Erwartung einer Wiederkunft des Bösen, Tochter und Enkelin meiden sie. Auch Myers vegetiert isoliert vor sich hin, als mysteriöses Forschungsobjekt eines Sanatoriums. Beim Insassentransfer kann er fliehen, und Laurie hört Schicksalsglocken läuten: Heimlich sehnt sie sich seit Ewigkeiten nach einem Showdown mit ihrem persönlichen Dämon.

Hämmer gegen Schädel

Die Verbundenheit der beiden wird von der Inszenierung wiederholt betont: Laurie stalkt ihre entfremdete Enkelin Allyson (Andi Matichak) ebenso, wie sie selbst im Original von Myers gestalkt wurde. Statt komplizierte Handlungsknäuel zu spinnen, setzt das Drehbuch auf die Kraft der dräuenden Duellsituation. Auch bei Auftritten des Kultkillers besinnt sich Neo-„Halloween“ auf das Wesentliche: Wieder ist Myers ein stummer Todeskoloss, der im Schritttempo durch die Gegend schleicht, unaufhaltsam und bar einsichtiger Motivation. Opfer meuchelt er willkürlich, roh und brutal, haut Hämmer gegen Schädel und Schädel gegen Wände, manchmal sogar am helllichten Tag. Bis er ein Küchenmesser aufklaubt, sein prosaisches Markenzeichen – Publikumsjubel ist garantiert.

Doch abseits dieser pflichtschuldigen Rückkehr zum Ursprung wartet der Film mit ungeahnten Qualitäten auf: Vor allem die Besetzung überrascht bis in Kleinstrollen hinein mit feinem Gespür für Charakterköpfe, denen Momente berückender Menschlichkeit gewährt werden. Curtis ist besonders toll, aber niemand wirkt hier wie bloßes Schlachtplattenfutter: Die Teenie-Clique rund um Allyson hätte sich auch in einem Coming-of-Age-Drama gut gemacht. Dahinter vermutet man Regisseur David Gordon Green, eine umtriebige Fixgröße des jüngeren US-Independent-Kinos, bekannt für Castingtalent und Improvisationsaffinität.

Durch die Verankerung des Stoffs in einer glaubhaften Wirklichkeit kommt die Symboldimension von „Halloween“ wieder stärker zum Vorschein: Myers steht für das Dunkle in uns allen, nur Rücksicht und Zusammenhalt können verhindern, dass es hervorbricht. Am Ende ist es ein generationenübergreifendes Frauengespann, das sich ihm entgegenstellt – einer von vielen subtilen Kommentaren zur Zeit, die sich der Film erlaubt. Sein schönstes Element ist allerdings der Vergangenheit verpflichtet: John Carpenter hat seinen legendären Soundtrack einer Frischzellenkur unterzogen und auch Neues komponiert – eine Erinnerung daran, wie toll Filmmusik sein kann, wenn sie sich nicht nur als Begleitteppich versteht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2018)

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