„Kein Rassist“: Die verhängnisvolle Beichte eines Kinorächers

Eiskalte Rache in einem US-Skiort.
Eiskalte Rache in einem US-Skiort.(c) Constantin
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Liam Neeson beichtete im Vorfeld von „Hard Powder“ Rachegelüste – die anschließende Kontroverse ist interessanter als der Film.

Wenn Liam Neeson ins Kino kommt, heißt es meist: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Spätestens seit seiner Neuerfindung als Vergeltungsmaschine im enorm erfolgreichen Entführungsthriller „Taken“ (2008) haftet dem nordirischen Schauspieler das Image eines alternden Action-Rächers an, das er in zahllosen Anschlussfilmen gewinnbringend ausschlachten konnte – mal mehr, mal weniger nuanciert.

Auch in seinem jüngsten Film „Hard Powder“ („Cold Pursuit“ im Original), gibt er einen braven Bürger, der nach dem gewaltsamen Tod seines Sohnes zur Waffe greift, um sich Gerechtigkeit zu verschaffen. Doch als er im Zuge der Vorvermarktung ein ungeschicktes Bekenntnis wagte, war sein alttestamentarisches Image kontraproduktiv.

Während eines Interviews mit der britischen Onlinezeitung „The Independent“ bekannte Neeson, einst ähnliche Gefühle wie der Filmprotagonist verspürt zu haben: Die Vergewaltigung einer Freundin vor 40 Jahren habe in ihm den „urtümlichen Drang“ geweckt, Rache zu üben. Er befragte das Opfer nach der Hautfarbe des Täters – und streifte danach eine Woche lang mit Schlagstock herum in der Hoffnung, irgendein „schwarzer Bastard“ (beim Interview setzte Neeson den Begriff zwecks Distanznahme dezidiert in gestisch simulierte Gänsefüßchen) würde ihm Grund zum Töten geben. Sein Verhalten sei schrecklich gewesen. Er sei im Nordirland-Konflikt aufgewachsen und wisse, dass Gewalt neue Gewalt nach sich zieht. Doch den aus blinder Wut geborenen Abrechnungsimpuls könne er nachvollziehen.

Die Reaktionen auf die Spontanbeichte zeugen von der Unfähigkeit zeitgenössischer Empörungskultur, mit Äußerungen umzugehen, deren Komplexität die eines Trump-Tweets übersteigt. Die Verschlagzeilung durch Drittmedien lautete etwa: „Neeson gibt zu, dass er einst Schwarze töten wollte.“ Es hagelte Rassismusvorwürfe, die New-York-Premiere des Films wurde abgesagt.

Mehr Schmerzensmann als Rambo

Neeson rechtfertigte sich in der Talkshow „Good Morning America“: „Ich bin kein Rassist.“ Er habe Menschen dazu anzuregen wollen, offen über solche Gefühle zu reden, statt sie eskalieren zu lassen. Auch das passt zu Neesons Starprofil: In seinen Rollen ist er oft mehr Schmerzensmann als Rambo, ein leidens- und bußfähiger Haudrauf mit traurigen Augen – 1993 spielte er die Titelfigur in „Schindlers Liste“. Unklar bleibt, warum er ein Promo-Interview (bei dem differenzierende Gegenfragen meist an Zeitmangel scheitern) als Ventil für seine Geschichte wählte. Und warum er nicht gleich auf die rassistische Grundierung seiner damaligen Rachsucht einging.

Ob die Kontroverse dem Filmerfolg geschadet hat, ist schwer zu sagen. Jedenfalls ist er kaum der Rede wert. Der Norweger Hans Petter Moland inszeniert darin ein Remake seiner mit Stellan Skarsgård besetzten Arbeit „Kraftidioten“ (2014). Was als Drama um Rache und Trauer in einem Skistädtchen Colorados beginnt, verkommt schnell zu einer Kreuzung aus Gangsterklamotte und „Fargo“-Verschnitt, bei der schrullige Spießgesellen zwecks billigen schwarzen Humors und achselzuckender Küchenphilosophie um die Wette sterben; die neuerliche Gangbarkeit solcher Schmalspurgrotesken verdankt sich wohl dem rezenten (Oscar-)Erfolg von Martin McDonaghs ähnlich gelagertem, aber weit besser inszeniertem „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“. Sollte Neeson nach dem Aufruhr um seine Person eine Leinwandpause einlegen, kann man ihm nur wünschen, dass seine Rückkehr weniger altbacken ausfällt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2019)

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