Netflix: Humanität als Abenteuer

Tarnen und Täuschen: „Red Sea Diving Resort“.
Tarnen und Täuschen: „Red Sea Diving Resort“.(c) Netflix/Marcos Cruz
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„The Red Sea Diving Resort“ behandelt knallig ein wenig bekanntes Thema: Die Rettung äthiopischer Juden. Prominent besetzt mit Chris Evans, Ben Kingsley.

Die Deutschen sind überall, auch in einer heruntergekommenen Anlage am Roten Meer auf sudanesischer Seite, wo die staubigen Fensterläden beim Öffnen auseinanderfallen. Im vermeintlichen Tauchparadies trifft die abenteuerlustige Gruppe aus dem Norden, die per Bus in die Einöde reist, auf israelische Agenten. Diese sollen den Transport afrikanischer Juden nach Israel organisieren, ein gefährliches Unternehmen – und kostspielig.

Als die Israelis dem Chef der sudanesischen Tourismusbehörde einen ordentlichen Batzen Schmiergeld für den Erwerb der Hotelruine überreichen, grinst dieser: „Sie sprechen zwar nicht Arabisch, aber sie haben begriffen wie es in Afrika läuft.“ Bereits hier stellen sich beim Zuseher des neuen Netflix-Filmes mit dem etwas irreführenden und sperrigen Titel „The Red Sea Diving Resort“ vom israelisch-amerikanischen Regisseur Gideon Raff („The Babysitter“, „Homeland“) leise Irritationen ein: Die sogenannten „Schwarzen“ sind auch in der Folge reichlich undifferenziert als üble Kerle gezeichnet, sadistische Militärs, hinterlistige Haudraufs. Der Film ist aber trotz der hollywoodesken Schwarzweißmalerei, hie die Heroes, dort die Bösen, spannend.

Dem Äthiopien-Reisenden werden heutzutage die wie Elendsviertel aussehenden ehemaligen Siedlungen äthiopischer Juden präsentiert, die Auskünfte des Führers sind dürftig. In „The Red Sea Diving Resort“ ist die Geschichte dahinter zu erfahren, vor allem der Mythos: Der Sage nach besuchte die biblische Königin von Saba König Salomo in Jerusalem, bei der Rückkehr wurde sie von zahlreichen Erstgeborenen begleitet. Auf diese gehe die Kolonie äthiopischer Juden zurück. Deren Situation verschlechterte sich stark nach dem Sturz des äthiopischen Kaisers Haile Selassie 1974. Sie wurden enteignet, schikaniert, überwacht, Buben zur Armee zwangsrekrutiert.

Als im Film die israelischen Agenten auftauchen, finden sie demoralisierte, verzweifelte, kranke Menschen und viele Kinder vor, die wegen einer Hungersnot aus Äthiopien in den Sudan geflüchtet sind, wo sie in den Achtziger Jahren von moslemischen Militärs misshandelt wurden.

Opfer bleiben im Schatten der Helden

Mossad-Agent Ari Levinson („Avengers“-Star Chris Evans) muss zunächst seine Vorgesetzten von der gefährlichen Rettungsmission überzeugen und dann internationale Spezialisten rekrutieren, keineswegs alle sind willig, zwischen Levinson und dem Arzt Sammy Navon, dessen Hände nach einem Kampfeinsatz für seine eigentliche Leidenschaft, die Chirurgie, unbrauchbar geworden waren, entspinnt sich ein Kampf.

Am Ende helfen aber alle zusammen und die erwähnten deutschen Touristen dienen als Tarnung. In Schlauchbooten und schließlich in einer James-Bond-artigen Action-Passage mit einem Flugzeug werden die äthiopischen Juden aus dem Sudan nach Israel gebracht. Die Wirklichkeit sah etwas anders aus, der echte Verantwortliche, der ehemalige Mossad-Agent Gad Shimron, hat darüber ein Buch geschrieben („Mossad Exodus“). Insgesamt konnten Anfang der 1980er Jahre in mehreren Etappen Tausende Juden gerettet werden – die allerdings in Israel erhebliche Schwierigkeiten hatten, sich zu integrieren. Im Abspann des berührenden, wenn auch etwas schematisch Thriller-Mustern folgenden Films, der prominent besetzt ist, unter anderem mit Oscarpreisträger Ben Kingsley als Chef des israelischen Geheimdienstes, wird auf die vielen Flüchtlinge heute verwiesen. Und man sieht Doku-Material von der echten Rettung der äthiopischen Juden aus dem Sudan.

Streamingkonzerne sind die neuen Großmächte im Filmbusiness, inzwischen produzieren sie auch einiges selbst. Allerdings machen sie, ähnlich wie Hollywood, von ihrer gewichtigen Stellung zu wenig Gebrauch. Es geht jetzt gar nicht darum, den Zuseher zu erziehen, das funktioniert ja bekanntermaßen nicht. Sondern es geht darum, interessante, spannende, auch randständige Themen nicht nur mit konventionellen, oft auf technische Gags konzentrierten Mitteln aufzubereiten. Wer sich viel anschaut, den irritieren wie verschiedene Geschichten ähnlich verarbeitet werden: Im Krieg wie im All, die gleichen Typen. Dass „The Red Sea Diving Resort“ eine Heldensaga ist, ok, aber es stört, dass weder die Geretteten (bis auf den Anführer) noch alle anderen Persönlichkeit und Tiefe haben.

Ähnliches gilt bei der Comedy: Neu auf Netflix, „Otherhood“, drei Mütter suchen unangemeldet ihre erwachsenen Söhne heim, einer ist schwarz, einer homosexuell, einer Jude (ist diese Art Quotendenken nicht etwas durchsichtig?). „Otherhood“ hat witzige Pointen, aber auch hier bleiben viele Figuren in der Charakterisierung flach – und jeder Konflikt wird allzu eilfertig aufgelöst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2019)

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