Wie man Freunde zu Geld macht

Mit 550.000.000 Mitgliedern ist Facebook die größte Spielwiese für Werber geworden. Wie Marc Zuckerberg die Datenspur seiner Nutzer im Internet vergoldet.

Betrüger, Soziopath, Totengräber der Privatsphäre. Über Marc Zuckerberg wurde schon vieles geschrieben. Lediglich Geldgier konnte dem Facebook-Gründer bisher kaum jemand vorwerfen. Zwar führt ihn das Forbes-Magazin mit einem geschätzten Vermögen von 6,9 Mrd. US-Dollar als einen der jüngsten Milliardäre der Welt. So reich ist Zuckerberg aber freilich nur auf dem Papier, denn noch hat er seinen Anteil an Facebook nicht zu Geld gemacht. Dabei hätte sich der Harvard-Abbrecher schon 2006 zur Ruhe setzen können. Eine Milliarde Dollar bot ihm Yahoo damals für seine Internetseite. Zuckerberg winkte ab. Heute ist sein Unternehmen ein Vielfaches wert. Auch den seit Jahren sehnsüchtig erwarteten Börsengang verschob Zuckerberg eben auf frühestens 2012. Warum auch nicht? Derzeit zählt das Netzwerk 550 Millionen Mitglieder. Jeden Monat kommen 30 Millionen hinzu. Geht es in dem Tempo weiter, knackt Facebook 2011 die Milliardenmarke. Jeder siebente Erdenbürger wäre dann Mitglied. Jeder von ihnen ist bares Geld wert.


„Klatsch gegen Daten“. Heuer macht der 1700-Mann-Betrieb einen Umsatz von 1,4 Mrd. Dollar, schätzt Bloomberg. Die Gewinnschwelle soll bereits im Vorjahr übersprungen worden sein. Aber wie genau vergoldet Zuckerberg seine 550.000.000 neuen Freunde?

Einerseits lukriert Facebook 30 Prozent aller Einnahmen der Entwickler, die etwa Spiele wie Farmville auf der Plattform anbieten. Wer aber wissen will, womit das Unternehmen wirklich Geld verdient, muss darauf achten, wo der junge Chef weilt, wenn er sich nicht in der Konzernzentrale in Palo Alto über seinen Laptop beugt. Denn dann taucht der Programmierer etwa in die glitzernde Werbewelt in Cannes ein und buhlt dort um die Millionenetats von Nike, Procter & Gamble und Coca-Cola. Mit großem Erfolg. 60 der 100 Unternehmen mit den größten Werbebudgets inserieren heute auf seiner Seite. „Facebook ist für uns das, was Fernsehen in den 60ern war“, schwärmte Nike-Werbechef Davide Grasso kürzlich in einem Interview mit Bloomberg Businessweek.

Über Facebook erreicht er fünf Mal mehr Menschen als mit einem Fernsehspot während dem Superbowlfinale, der TV-Sendung mit den meisten Zusehern weltweit. Entscheidend ist aber, dass jeder Facebook-Nutzer am Eingang in Zuckerbergs Reich seine Privatsphäre abstreift wie einen Mantel. Was immer er fortan kommentiert, empfiehlt, mag oder nicht mag, wird gespeichert. Auch seine Bewegungen auf anderen Internetseiten verfolgt Facebook genau und formt so ein Psychogramm, das Werbern eine Treffsicherheit verspricht, die selbst Google beim besten Willen nicht bieten kann.

Haben Sie sich verlobt und das auf Facebook kundgetan? Dann wundern Sie sich nicht, wenn Sie bald Werbung vom Juwelier um die Ecke auf ihrer Profilseite finden. Sie lieben italienische Musik? Vielleicht meldet sich ja auch der passende DJ bei Ihnen. Leider stimmt die Erfolgsquote nicht so ganz. Nur 0,1 Prozent der Facebook-Nutzer klicken auf die Werbebanner, sagt Nielsen. Google-Anzeigen werden hundertmal häufiger angesehen.

Den Multis ist das egal. Von den 600 Mrd. Dollar, die jährlich für Marketing und Werbung ausgegeben werden, geht nur ein Zehntel in Werbung für Kunden, die wissen, was sie kaufen wollen. Die restlichen 540 Mrd. Dollar i sind für Kampagnen reserviert, die erst Bedürfnisse beim Kunden wecken sollen. Am besten gelingt das, wenn sich Marken unauffällig im sozialen Netzwerk ihrer Kunden einnisten können. Mehr als zwei Millionen Fans hat Nike bei Facebook gefunden. Sie kann der Konzern nun jederzeit mit Informationen füttern. Solange die Nutzer den Deal „Klatsch gegen Daten“ eingehen, bleibt Zuckerberg nur, seine Beutel für den erwarteten Geldregen zu öffnen.

Das „echte“ Facebook. Dass es auch einen einfacheren Weg gibt, mit der Facebook-Idee Geld zu machen, beweist Alex Tew. Der Brite, ebenfalls 26 Jahre alt, hat das Projekt „One Million People“ ins Leben gerufen. Dafür sucht er eine Million Menschen, die jeweils drei Dollar bezahlen, um ihr Foto im „echten Facebook“ verewigt zu wissen. Dafür, dass Tew ein Buch mit einer Million kleiner Bilder drucken lässt, winken ihm also drei Mio. Dollar. Tausend Teilnehmer hat er schon. Nur die erste Seite hält der Brite noch frei. Für Mark Zuckerberg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2010)

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