Philharmoniker: Opulenz und Noblesse

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Großer Erfolg für eine Rarität: Zubin Mehta dirigierte die „Orgelsymphonie“ von Camille Saint-Saëns.

Dankbarer Jubel für die dem Andenken Liszts gewidmete Dritte, die „Orgelsymphonie“ von Camille Saint-Saëns: Die festlich strahlende, mit allem Effekt inszenierte Diesseitigkeit ihres C-Dur-Finales riss dem Publikum den Applaus aus den Händen. Warum auch nicht? Unter der dennoch stets zügigen, auf große Linie bedachten Leitung von Zubin Mehta nützten die Philharmoniker jede Gelegenheit, um in jener spätromantischen Emphase zu schwelgen, die dem zu Unrecht so selten gespielten Stück wohl ansteht.

Manchmal fast zu sehr. Da setzt etwa nach ein paar Einleitungstakten der Orgel am Beginn des Poco Adagio eine Streicherkantilene an, die von der entrückten Stimmung und den ersten drei Tönen her Mahlers Rückert-Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ um 15 Jahre vorwegnimmt. Ihren Eintritt grundierte Robert Kovács an der Orgel mit einem leisen und doch wunderbar präsenten Pedal-Des – die Melodie selbst breiteten die Philharmoniker dann um Nuancen zu sehr in selbstsicherer Schönheit aus, anstatt ihren innigen Charakter im verlangten zarten Pianissimo zu entwickeln. Auch an manchen Tuttistellen hätte man sich statt des opulent-satten Klangs etwas schlanker gefasste Elegance vorstellen können, doch blieben diese Einwände Marginalien. Zu genießen war, wie Saint-Saëns dem aus flatternden Sechzehnteln bestehenden Hauptthema im Orchester immer wieder neue Gestalten abringt, sie zu obstinaten Begleitfiguren großer melodischer Entwicklungen der Bläser macht oder in turbulente Fugati verwickelt – und mit wieviel Verve das Orchester dies realisierte.

Schönbergs Kammersymphonie

Überhaupt war dieses siebte Abo-Konzert Komponisten gewidmet, die sich der motivisch-thematischen Arbeit verpflichtet fühlten, wie das die Musiktheorie im Nachhinein nannte. In nachdenklicher Größe erklang eingangs die „Tragische Ouvertüre“ von Brahms, in der Mehta die herben dramatischen Eklats etwas in den Hintergrund rückte und den tristen Tonfall des Kondukts der Holzbläser und die sanften Tröstungen der Streicher betonte.

Zum Herzstück aber wurde Schönbergs großartig konzentrierte, solistisch besetzte Kammersymphonie Nr. 1, die Mehta ja erfreulicherweise immer wieder ansetzt. Deren angeblich „wilde, ungepflegte Demokratengeräusche“, wie sie ein Kritiker 1907 vernehmen wollte, sind längst, der teilweise bewusst scharfen, extremen Instrumentierung zum Trotz, zu aristokratischer Noblesse veredelt: Herrlich, wie die aus dem Dur-Moll-Schema hinausdrängende Harmonik doch immer wieder zu leuchtenden Dreiklängen findet: ein faszinierendes Werk des Umbruchs, mit Überzeugung dargeboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2014)

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